Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Das Kriegsjahr 1683 (Mit eigener Paginirung) - Die Belagerung Wiens

204 Die Verwüstung und der Jammer, welchen die wilden Tataren nach ihrem gänzlichen Abzüge hinterliessen, war dessenungeachtet noch immer sehr gross. Man berechnete die Zahl der von den Tataren nicht im ehrlichen Kampfe getödteten, sondern kaltblütig niedergemetzelten Einwohner Nieder-Österreichs auf 30.000. In die Gefangenschaft dürften hei 40.000 Personen beiderlei Geschlechtes abgeführt worden sein, wo­von die wenigsten wieder ihre Heimat sahen. 5000 Ortschaften gingen während dieser fürchterlichen Invasion in Flammen auf, darunter: Alten­markt, Brunn am Gebirge, Baden, Bruck an der Leitha, Fischamend, Hainburg, Hietzing, Hernals, Laxenburg, Mödling, Prellenkirchen, Potten- dorf, Penzing, Perchtoldsdorf'), Schwechat, Traiskirchen, Weissenbach etc. Dagegen wurden vom Untergange gerettet: Bielach, Schloss Gold­egg, Gutenstein, Klosterneuburg, Schloss Lengbach, Lilienfeld, Molk, Wiener-Neustadt, Schloss Pottenbrunn, St. Pölten, Tulln, Wieselburg etc. Nach dieser kleinen Abschweifung kehren wir wieder zur Schil­derung der Belagerung von Wien zurück. Ereignisse vom 21. August bis 1. September. Die Türken, -welche wieder einen Munitions-Transport erhalten hatten, setzten am 21. August das starke Feuer des vorigen Tages fort. Morgens und Abends zündeten sie je eine Mine bei der Löbel- Bastion, um sich den ungehinderten Zugang zum Graben zu erleichtern. Die Kaiserlichen zerstörten um 7 Uhr Früh durch eine Gegen­mine und einen darauffolgenden kleinen Ausfall die feindliche Arbeit an der Spitze des Burg-Ravelins, sowie eine eben fertig gewordene türkische Mine. Achtzehn Mann der Franckh’schen Frei-Compagnie machten einen kühnen Ausfall, gelangten bis zur Vorstadt auf der „Wieden“ und kehrten mit einem gefangenen Türken zurück. Man beobachtete in der Stadt, dass die Fouragirungen nunmehr gegen das Leitha-Gebirge stattfanden; wie es sich später herausstellte, hatten dort die erbitterten Bauern „alle Pässe“ verhauen und viele ver­einzelt auftretende Fourageurs erschlagen, so dass sich Kara Mustapha genöthigt sah, die Fouragirungen in jenen gefährlichen Gegenden gänzlich zu verbieten, wodurch aber ein empfindlicher Mangel an Lebensmitteln entstand. Um diesem Ubelstande einigennassen abzuhelfen, wurden die stärkeren und arbeitsfähigeren gefangenen Christen, etwa 20.000, aus *) *) Siehe Seite 160.

Next

/
Thumbnails
Contents