Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

38 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. Ausführung seines Vorhabens am meisten entsprachen. Auf das Ursprungsgebiet der Elbe, wo der Fluss schmal und bei niederem Wasserstande leicht zu durchwaten ist, hatte der König vom Anfänge an sein Hauptaugenmerk gerichtet. Zu diesem Behufe waren in der zweiten Hälfte des Monats Juli aus dem Lager bei Wolsdorf die Brigaden Generalmajor von Billerbeck und von Flemming unter Commando des Generalmajors Graf Anhalt gegen Ketzelsdorf und Kotwitz, die Brigade General­major von Dallwig gegen Soor vorgeschoben worden, von welchen Stellungen aus sie zu wiederholten Malen das Gelände von Werdek über Neuschloss bis Arnau recognoscirten. Das Resultat dieser Erken­nung war ein negatives. Generalmajor Graf Anhalt berichtete, dass es höchst schwierig sein würde, irgend eine Unternehmung gegen die Elbe-Linie in Ausführung zu bringen. Die Vertheidigungsanstalten der Österreicher seien so vollständig, dass ein gewaltsamer Übergang über den Fluss äusserst gewagt wäre. Ein längeres Verbleiben im Lager bei Wolsdorf, von dem aus der nordöstliche Theil Böhmens während des fünfwöchentlichen Auf­enthaltes der königlichen Armee gänzlich ausgesogen ward, gestaltete sich zur Unmöglichkeit. Schon musste die Verpflegung für Menschen und Pferde von Schweidnitz über Landshut der Armee zugeführt werden. Friedrich II. wartete daher nur den Schluss der Unterhand­lungen in Braunau ab, um mit seinem Heere, ohne Preisgebung poli­tischer und militärischer Vortheile, einen Stellungswechsel vorzunehmen. Über die Beweggründe hiezu schreibt er unter dem 9. und 11. August an seinen Bruder, den Prinzen Heinrich: Die bis Hohenelbe im Riesengebirge aufgestellten Posten der Österreicher verhinderten jede Umgehung ihrer Position an der Elbe von seiner Seite. Am 13. werde er schon genötliigt sein, wegen Fourage-Mangels ein Lager bei Pilnikau zu beziehen, in welchem er sechs Wochen wird leben können. Von Pilnikau aus werde er sich dann Hohenelbe zu nähern suchen, um dem Feinde Besorgnisse einzuflössen und zu sehen, ob von dort aus, trotz der Ungeheuern Schwierigkeiten, nicht doch etwas geschehen könnte. Mit Ende September dürfte der Einfall der Russen in Lodomerien erfolgen; diese Unternehmung würde aber den Kaiser sowohl als Loudon zwingen, ihre Streitkräfte zu theilen und starke Detachements nach Polen und Ungarn zu senden. Könnte in diesem Augenblicke von Seite der königlichen Armee eine Diversion nach Mähren stattfinden, so würde dies eine bedeutende Wirkung hervor­bringen und die gesammte Streitmacht des Kaisers aus Böhmen dahin ziehen, wo alsdann dem Prinzen die Armee-Abtheilung Loudon’s allein gegenüber bliebe. Um sich nun über Pilnikau und Hohenelbe dem Prinzen Hein­rich zu nähern und die Verbindung zwischen den beiden Heeren zu

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