Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution
158 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. Niederlande mit allen ihren Einkünften und Hilfsquellen den Franzosen zu überlassen. Die Erwerbung von Bayern würde dem Hauptfeinde Preussen von unschätzbarem Nutzen sein. Der Kaiser selbst habe gesagt, der Besitz von Bayern sei vielleicht das einzige Mittel, um einmal die preussische Macht niederzuwerfen. In welche Lage würde Österreich gerathen, wenn der Churfürst von Bayern in Abhängigkeit von Preussen gelange. Durch die Erwerbung von Bayern setze man sich mit den österreichischen Provinzen in Italien in eine Verbindung, die den Besitz derselben weniger zweifelhaft mache '). Der Kaiser schritt sofort zur Altsführung dieses Vorhabens, indem er dem k. k. Gesandten in München, Freiherrn von Lehrbach, die Weisung gab, den Churfürsten von Pfalz-Bayern, Carl Theodor, auszuforschen, ob er dem Tausche der österreichischen Niederlande, mit alleiniger Ausnahme der Grafschaft Namur und des Herzogthums Luxemburg, welche für Frankreich bestimmt waren, gegen Bayern seine Zustimmung ertheilen und hiebei den Titel eines Königs von Burgund oder Austrasien annehmen wolle. Auf die hierüber erhaltene, nicht ablehnende Antwort, richtete Fürst Kaunitz an den österreichischen Gesandten in St. Petersburg, Grafen Cobenzl, am 12. Mai eine Depesche, um den mächtigen Beistand Russlands in dieser Frage zu erlangen. Nach diesem Austausche wäre Österreich allein im Stande, alle seine Kräfte der Verwirklichung der Wünsche der Kaiserin zuzuwenden, während in den gegenwärtigen Verhältnissen eine Aggression Preussens immer gegen das Herz der Monarchie, der Angriff Frankreichs aber gegen die entfernten Provinzen der Niederlande zu befürchten stünde. Der Wiener Hof habe Gründe, der Einwilligung des Churfürsten von Bayern zu diesem Austausche sicher zu sein. Sodann verlangte der Staatskanzler, die Kaiserin möge den Herzog von Zweibrücken beeinflussen, da ohne dessen Zustimmung diese Angelegenheit nicht geordnet werden könnte 2). In ähnlichem Sinne sprach sich Kaiser Josef in einem Schreiben vom 13. Mai 1784 an die Kaiserin von Russland aus, indem er betonte, dass der einzige Vortheil, den er aus dem Austausche von Bayern, Ober-Pfalz und Salzburg gegen die Niederlande zöge, die Möglichkeit sein würde, sich eines Tages mit seiner ganzen Macht ihrer Sache weihen zu können. Die gelegentlich der letzten Unterhandlungen in Constantinopel von Seite Frankreichs in Betreff der Erhaltung des ottomanischen Reiches manifestirten Absichten lassen keinen Zweifel über die Politik des Versailler Hofes, und das einzige Mittel, Russland nützen zu können, bestehe eben in dem Gebietsaustausche, welcher für *) *) Rauke: Die deutschen Mächte und der Fürstenbund. 2) F. Martens: Recueil des traités et conventions, conclus par la Russie avee les puissances etrangéres.