Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

bayerischen Austausche in Verbindung zu bringen. Nur mit Wider­willen hatte sich Österreich nach Beendigung des spanischen Erbfolge­krieges in die politische Nothwendigkeit gefunden, die Niederlande als einen Bestandtheil seiner Macht einzufügen. Von seinen leitenden Staatsmännern wurde die belgische Provinz stets als ein vorgescho­bener, ausserhalb des Macht- und Vertheidigungs-Bereiches der Mon­archie gelegener und daher gegen Frankreich nicht zu behauptender Posten betrachtet. Dieses, vom Mittelpunkte des Reiches zu weit ent­legenen, wenn auch wegen seiner bedeutenden Volkszahl und seines Wohlstandes äusserst wichtigen Vorlandes mittels Eintausches gegen besser gelegene Gebiete sich zu entledigen, war daher seit lange ein fast leitender Gedanke der österreichischen Politik. In Anbetracht dessen wurde, wie bereits erwähnt *), frühzeitig das angrenzende, die Wehrfähigkeit der Monarchie vervollständigende Bayern als Tausch­object in Aussicht genommen. Das gebieterische Interesse der Gesammt- macht erheische die Vereinigung der bayerischen Gebiete bei sich darbietender günstiger Gelegenheit mit dem Gesammtstaate. Der Plan eines Austausches der Niederlande gegen Bayern im Jahre 1778 war an dem Widerstande des durch Russland unterstützten Preussen gescheitert. Der alternde König Friedrich II., welcher seinen auf Kosten Polens und Österreichs gemachten Gebietserwerb in hin­längliche Sicherheit gebracht zu haben glaubte, wachte seit 1772 mit Eifersucht über den Fortbestand des durch Waffenglück gegründeten preussischen Grossmachtstaates, namentlich seinem deutschen Neben­buhler Österreich gegenüber. Er wollte um keinen Preis eine Ver­schiebung der Machtverhältnisse dulden und an dem Stande der mittel­europäischen Angelegenheiten, wie er in den letzten Friedensschlüssen hergestellt worden, etwas geändert wissen. Die Gebietsvergrösserung und Stärkung Österreichs durch Aneignung auswärtigen Besitzes, be­sonders aber durch Erwerbung des deutschen Churstaates Bayern, war dem Preussenkönig vor Allem widerwärtig. Was einmal misslungen — der Eintausch der Niederlande gegen Bayern — sollte nun durch den grossen Umschlag der Politik, der mit Russland eingegangenen Allianz zum zweiten Male versucht und zu Ende geführt werden. Wie wichtig und nothwendig für Österreich der Erwerb Bayerns war, geht übrigens aus nachstehender Denkschrift des Fürsten Kaunitz vom 7. April 1784 hervor: Der Staatskanzler bemerkt Eingangs, man könnte diese Provinz gegen Frankreich niemals vertkeidigen, so lange das Herz der Mon­archie den Angriffen der preussischen Macht ausgesetzt bleibe. Würde Österreich etwas unternehmen, wodurch es sich zugleich Preussen und Frankreich auf den Hals ziehe, so bliebe ihm nichts übrig, als die ') Vergleiche: Der bayerische Erbfolgelcrieg Seite 349 bis 374 (Jahrgang 1882).

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