Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

VI. Der Schelde-Streit mit Holland (1781—1785). 155 Diesen Erwägungen gemäss begannen die Franzosen ein Beob­achtungs-Corps in Flandern, ein anderes am Rhein zusammenzuzielien und sandten den in voller Kriegsrüstung befindlichen Holländern den Marschall Maillebois als Feldherrn zu. Gleichzeitig erklärten sie am 27. Novem­ber 1784, dass, falls die Differenzen zwischen dem Kaiser und den Generalstaaten unter der Vermittlung des Versailler Cabinets nicht gütlich ausgeglichen werden könnten, Frankreich sich genöthigt sehen würde, einem Angriffe Österreichs auf Holland mit Gewalt sich zu widersetzen. An eine Invasion Hollands hatte indessen der Kaiser niemals gedacht. Unter dem 25. October 1784 schrieb er noch an die Kaiserin von Russland: Ich hege weder Gedanken, noch habe ich Projecte, Eroberungeu zu machen. Weit entfernt, Blut vergiessen und Krieg führen zu wollen, bin ich vielmehr entschlossen, auf jede Erwerbung und auf das Leid zu verzichten, welches ich wahrscheinlich bei der Ungleichheit der Kräfte den Holländern zufügen könnte, wenn sie wieder zur besseren Einsicht gelangen, die Freiheit der Schelde aner­kennen und eine schickliche Genugthuung geben. Die mit Holland befreundete Kaiserin möchte daher in dieser Richtung ihren mächtigen Einfluss geltend machen, um das Feuer eines allgemeinen Krieges von Deutschland abzuwenden. Katharina beantwortete diesen Brief Kaiser Josefs am 24. November dahin, dass sie ihren Gesandten im Haag angewiesen habe, den General Staaten eine ermahnende Note zu über­geben, damit sie zu Concessionen sich verstehen und Nachgiebigkeit zeigen mögen. Der wesentliche Inhalt der betreffenden Note des St. Peters­burger Cabinets gipfelte in dem Satze, „dass Ihre kaiserliche russische Majestät die Ansprüche des Kaisers für billig und gerecht halte und den Holländern ernstlich anrathe, ehebaldigst zu einem Vergleiche die Hände zu bieten und zum Frieden sich zu bequemen“. Gleichzeitig wurde dem Könige von Preussen die Empfindlichkeit des russischen Hofes darüber zu erkennen gegeben, dass er sich mit Frankreich be­züglich der holländischen Angelegenheit geeinigt und es gegen den Kaiser aufgehetzt habe. In Folge dieser Einwirkungen kam ein Vergleich um desto leichter zu Stande, als Kaiser Josef ohne Unterbrechung der Kriegsrüstungen auf die Vermittlung Frankreichs einging. Während die k. k. Armee sich von Tirol und Inner-Österreich her in drei Colonnen in Bewegung setzte und den Reichskreisen ihr Durchmarsch angekündigt war, willigten die Generalstaaten durch eine Resolution vom 14. Januar 1785 ein, ihren Streit mit Kaiser Josef zu beenden. In Folge dessen wurden die Präliminarien zu Paris am 20. September, der Definitiv - Tractat aber zu Fontainebleau am 8. November 1785 von den kaiserlichen, französischen und holländischen Bevollmächtigten unterzeichnet, nach­dem die Generalstaaten vorher durch zwei nach Wien gesandte Depu- tirte dem Kaiser hatten Abbitte thun lassen.

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