Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

154 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. dagegen unter Berufung auf verjährte, von denselben so oft unbeachtet gelassene Verträge den Protest ein und begannen zum Kriege zu rüsten. Zur Bewachung der Schelde-Mündungen wurde sofort ein Geschwader zusammengestellt und mit strengen Instructionen versehen. Der Kaiser, welcher an den Ernst der Lage und die feindseligen Absichten Hollands nicht glauben wollte, ertheilte den unter öster­reichischer Flagge segelnden Schilfen die Weisung, unbekümmert um die Protestation und drohende Kampfbereitschaft der niederländischen Behörden die Schelde zu befahren. In der That wurden zwei im October 1784 die Schelde- thai- und -bergwärts segelnden österreichischen Brigantinen, welche sich den Visitationen und Zollabnahmen nicht unterwerfen wollten, durch das Feuer der holländischen Wachschiffe zum Stehen gebracht und gekapert. Auf die ersten Nachrichten von diesem Gewaltacte löste der Kaiser sogleich den Congress zu Brüssel auf, erklärte das Verfahren der Generalstaaten für einen Friedensbruch, gab den Befehl, in den Niederlanden eine Armee von 80.000 Mann zusammenzuziehen und setzte sofort einen Theil derselben zur Verstärkung des Truppencorps in Belgien und zum Schutze der Provinz gegen fernere Insulten und Vergewaltigungen in Marschbewegung. Die Holländer legten eilig die Grenzgegenden unter Wasser und warben bei den fremden Höfen um Hilfe. Uber diese Massnahmen gerieth man in Frankreich in grosse Ver­legenheit. Der Versailler Hof konnte einer empfindlichen Schwächung der Macht Hollands in einem Augenblicke nicht gleichgiltig Zusehen, wo es mit den Generalstaaten bezüglich eines Allianz-Ver träges in Unterhandlungen stand. Er durfte sich aber auch am Schlüsse eines im Interesse Amerika’s gegen England geführten Krieges mit dem Kaiser nicht Überwerfen, denn die Wunden dieses Kampfes bluteten noch immer und der ungeheure Kostenaufwand desselben konnte die verhängnissvolle Katasti’ophe beschleunigen. Während nun Frankreich die von den Generalstaaten begehrte Vermittlung acceptirte, erwog dessen Ministerium, ob man sich nicht zu einem Kriege zu Gunsten Hollands entschliessen sollte. Mit den Höfen von Berlin, Dresden und Turin konnten nicht allein Verbin­dungen angeknüpft, sondern dieselben auch durch Subsidien in das französische Interesse gezogen werden; die Türkei und Schweden würden sich gegen die Höfe von Wien und Petersburg waffnen. Den militärischen Absichten des Kaisers müssten Coercitions-Massregeln ent­gegengesetzt, demzufolge drei starke französische Heere in den Nieder­landen, am Nieder-Rhein und in Italien, kleinere Truppencorps aber am Ober-Rhein und an der Mosel aufgestellt werden. England sei von Frankreich stets zu fürchten; letzteres könnte keinen Doppelkrieg zu Lande und zur See gleichzeitig führen.

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