Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution
152 Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr etc. mit Frankreich von der Allianz mit Russland abzuziehen. Die Erklärung Kaiser Josef II., den Petersburger Hof, seinen Verbündeten, für den Fall fremder Einmischung mit einer Armee von 120.000 Mann zu unterstützen, benahm Frankreich die Lust zu einem bewaffneten Dazwischentreten und es forderte jetzt, dass Österreich wenigstens für sich auf jede territoriale Vergrösserung verzichte. Kaiser Josef wollte sich jedoch zu dieser Verzichtleistung nur unter der Bedingung verstehen, dass die Pforte die Anträge Russlands annehme. Das französische Cabinet liess sich nun angelegen sein, das türkische Ministerium zur Ratification des zwischen Russland und dem Tataren-Khan geschlossenen Abtretungsvertrages über die Krim, Taman und Kuban zu überreden. Nach langen Discussionen und Verhandlungen Unterzeichnete der Divan am 8. Januar 1784 den Friedensvertrag, mittelst welchem Russland in den Besitz der Krim’schen Tatarengebiete gelangte. Zur Zeit der Unterhandlungen hatte die Kaiserin Katharina eine Reise nach Finland unternommen und mit dem Könige Gustav III. von Schweden in Friedrichsham eine Zusammenkunft gehabt. Sie bezeigte dem Kaiser für den glücklichen Ausgang der Unterhandlungen mit der Pforte wiederholt in Briefen ihre ganze Erkenntlichkeit; es sei ihr nur zu gut bekannt, dass die neuen Erwerbungen im Süden des russischen Reiches allein der Unterstützung des Kaisers zu verdanken seien und sie verlange nichts sehnlicher, als zu erfahren, wie sie ihm nützlich sich erweisen könne. VI. Der Schelde-Streit mit Holland (1781 bis 1785). Die Gelegenheit, dem Kaiser Josef dafür einen Gegendienst zu erweisen, dass Russland, ohne Blutvergiessen, blos durch eine Truppenbewegung in Folge geschickter Benützung der politischen Verhältnisse, bedeutende und wichtige Gebietserwerbungen erhalten hatte, sollte sich alsbald bieten. Nach Beendigung des spanischen Erbfolgekrieges hatte Österreich im Frieden von Utrecht 1713 die belgischen Niederlande als Bestandtheil seiner Macht erhalten. Ausser dem Barriéren-Vertrag vom Jahre 1715, welcher Holland ausdrücklich das Mitbesatzungsrecht in den Grenzfestungen sicherte, war die an die Annexion Belgiens geknüpfte Bedingung noch die Übernahme der Verpflichtung, die aus den spanischen Zeiten herübergenommenen und durch den Frieden von Münster 1648 erneuerten, den belgischen Seehandel beschränkenden Bestimmungen und namentlich die Sperrung der Schelde zu Gunsten der beiden Seemächte England und Holland fortbestellen zu lassen. Es war daher natürlich, dass Kaiser Josef alles Mögliche anwandte, sich dieser drückenden Verbindlichkeiten zu entledigen.