Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution
den Kampf unvermeidlich machen sollte. Indem Katharina ihrem Bundesgenossen, dem Kaiser Josef, diese Mittheilungen machte, bemerkte sie, der Augenblick zur Ausführung der ein Jahr zuvor gegenseitig vereinbarten Theilungspläne sei nicht mehr günstig; Frankreich und England hätten Frieden geschlossen und könnten interveniren. Es geböte daher die Staatsraison, sich zu massigen und die Eifersucht der grossen Nachbarmächte nicht zu erregen. Man dürfe zwar nicht erwarten, dass Frankreich die österreichischen Staaten anfallen werde, so lange das ottomanische Reich augenscheinlich von einer Zertrümmerung nicht bedroht sei. Die Kräfte Russlands werden diesmal noch ausreichen, die Pforte zur Vernunft zu bringen und den Frieden herbeizuführen. Schliesslich forderte die Kaiserin den Kaiser auf, seine Regierung durch grosse Siege und nützliche Eroberungen berühmt zu machen. Josef II. bereiste zwar im Frühjahre 1783 die Grenzländer Ungarn, Siebenbürgen und die Bukowina, besichtigte die Truppen und die festen Plätze und traf Vorbereitungen für den Kriegsfall, ging jedoch auf das Ansinnen seiner Bundesgenossin nicht ein, diesen hervorzurufen und Eroberungen in der Türkei zu machen. Diesbezüglich schrieb er nach Petersburg, er wünsche der Kaiserin jede Gebietserweiterung und Erwerbung, die ihrem Reiche zum Wohle gereiche, sie mögen nur ohne Menschenverluste und ohne Schwertstreich bewirkt werden. Der Unterschied zwischen den beiderseitigen Stellungen und Rechten sei ein grosser. Welchen Vorwand könnte Österreich vorschützen, welches Rechtstitels sich bedienen, um die Handlungsweise Russlands nachzuahmen. Ein Blick auf die topographische und politische Lage Österreichs beweise dies zur Genüge. Er, der Kaiser, werde sein Möglichstes thun, um die Kaiserin in den Besitz der Krim, der Insel Taman und von ganz Kuban zu setzen, ohne dass es zum Kriege komme, theils durch seine guten Dienste, theils durch kriegerische Massnahmen an den Grenzen. In Folge dieser beruhigenden Zusagen veröffentlichte die russische Regierung am 1. August 1783 das vom Feldmarschall Fürsten Potemkin aus dem Hauptquartier Karasubazar erlassene Manifest über die Einverleibung sämmtlicher Tatarenländer in das russische Reich. Schon früher hatte nämlich der Tataren-Khan Schahin Girai gegen einen Jahresgehalt von 100.000 Rubeln seine Ländergebiete vertragsmässig für ewige Zeiten an Russland abgetreten. Mit Ausnahme Frankreichs verhielten sich sämmtliche europäische Höfe dieser Machterweiterung Russlands gegenüber ruhig. Vergebens waren die Bemühungen des Versailler Cabinets, den Kaiser Josef zu bewegen, in Gemeinschaft mit Frankreich und Preussen die von Russland angestrebte Gebietserweiterung zu hintertreiben, vergebens dessen Bemühungen, Preussen gegen Österreich zu waffnen und in Verbindung