Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

werden sie ihre Handelsinteressen auf Kosten des türkischen Reiches zu fördern suchen, und wenn aus Neid über die zwischen den beiden Staaten bestehende intime Verbindung irgend eine europäische Macht, deren gemeinsamem Vorhaben in den Weg treten sollte, ihre ver­einigten Streitkräfte zur gegenseitigen Vertheidigung verwenden. „So gross und entfernt auch die oben ausgesprochenen Ansichten scheinen, glaube die Kaiserin doch, dass es wenig Dinge gäbe, welche die beiden intim verbundenen Staaten nicht in Ausführung zu bringen vermöchten.“ Kaiser Josef beantwortete diesen Brief Katharina’s in Folge seiner Krankheit sehr spät, und zwar erst am 13. November 1782, wie folgt: „Ihre Majestät habe die Verhältnisse Polens, Dänemarks und Schwedens vollständig im Einzelnen dargestellt. In Betreff Preussens und Frankreichs — der zwei einzigen und mächtigsten Staaten, welche der Ausführung des Entwurfes sich widersetzen könnten — sei zu bemerken, dass das Alter Friedrich’s II., der gute Wille und die Dankbarkeit Frankreichs allein die nothwendige Sicherheit nicht böten, das Innere der österreichischen Staaten und getrennten Pro­vinzen ihren Anschlägen gegenüber als ausser aller Gefahr stehend zu betrachten. „Dieser Gedanke dränge sich umso stärker auf, als die beiden Bourbon’schen Höfe den Kaiser nicht nur zu verhindern vermögen, gemein­sam mit Russland kraftvoll zu handeln, sondern auch die Massnahmen und Operationen der Kaiserin durch Entsendung ihrer Flotten in das Mittel- und Schwarze Meer nichtig oder mindestens höchst schwierig zu machen. Während dieser Zeit würden die österreichischen Provinzen in den Niederlanden, in Italien und an dem Rhein ihren gesammten Streitkräften zu Lande sich blossgestellt sehen. „Hieraus gehe hervor, dass es absolut unmöglich sei, ohne Über­einstimmung mit Frankreich einen glücklichen Ausgang zu hoffen, da­gegen würde Russland im Einklänge mit dieser Macht Mittel finden, den König von Preussen in Schranken zu halten, ohne dessen Ein­willigung erkaufen zu müssen. Frankreichs sicher, könnten die beiden Kaiserhöfe nämlich ihre Kräfte theilen und die Czarin würde alsdann ein Corps von 40.000 bis 50.000 Mann an der Grenze Litthauens gegen Preussen aufstellen, oder, was vorzuziehen wäre, es an der Weichsel und Warta Quartiere in Polen nehmen lassen, um dadurch einerseits das Herz der Staaten des Königs zu bedrohen, anderseits die Ruhe in Polen und die Verpflegung der Armee zu sichern. Der Kaiser aber würde gleichzeitig die Hauptmasse seines Heeres in Böhmen und Mähren versammeln und noch mit 60.000 bis 80.000 Mann dort in Action treten, wo es die gemeinsamen Interessen gegen die Pforte erheischen. Mittheilungen des k. k. Kriegs-Archivs. 1883. 11

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