Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)

Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution

Es sei nicht zu bezweifeln, dass die zwischen Russland und Österreich hergestellte natürliche Verbindung ihm Argwohn einflössen werde, dennoch erscheine es sehr problematisch, ob er auch in seinem hohen Alter zu entscheidenden Schritten gegen die vereinigten Monarchien, ohne Beistand Frankreichs oder Englands, sich werde hinreissen lassen. Die Vermuthung sei nicht zulässig, dass selbst nach Beendigung des gegenwärtigen, die beiden Westmächte zu Grunde richtenden See­krieges, diese neuen Auslagen und Verwicklungen für so entfernte Interessen sich aussetzen werden. Die besonderen Verbindungen der Höfe von Wien und Versailles werden den Kaiser am besten beur- theilen lassen, ob die Eifersucht über die Fortschritte Österreichs und Russlands in einem eventuellen Kriege mit der Türkei bis zu dem Punkte sich erstrecken könnte, Frankreich zu einem activen und offenen Handeln zu verleiten. England werde die Unparteilichkeit der verbün­deten Mächte während des jetzigen Krieges, sowie deren Vermittlung zur Wiederherstellung des Friedens nicht verkennen können. „Das grenzenlose Vertrauen der Kaiserin in den Kaiser und die Aufrichtigkeit des geschlossenen Freundschaftsbündnisses veranlasse Erstere zu dem Eingeständnisse, dass das Wohl des gegenseitigen Systems eine intimere Verbindung mit England umso erwünschter erscheinen lasse, als die Höfe von Madrid und Versailles dem Ein­laufen russischer Flotten in das Mittelmeer Hindernisse in den Weg legen, oder gar zu Gunsten der Türkei offen die Partei ergreifen könnten. „Gesetzt den Fall, der König von Preussen würde, die Verbün­deten in einen Krieg verwickelt sehend, die österreichischen Besitzungen in Deutschland mit Krieg überziehen. Sodann würde die Vereinigung der Streitkräfte der beiden alliirten Höfe, so sehr sie auch gegen die Türkei occupirt sein könnten, denselben noch hinreichende Hilfsmittel liefern, um den Angriffsstoss des neuen Gegners zurückzuweisen. „Aus dem Kriege von 1756 lassúi sich die Leistungen nicht beurtheilen, welche die Vereinigung der Streitkräfte beider Monarchien jetzt aufweisen würde, wo sie durch die Souveräne einheitlich dirigirt, dasselbe Ziel verfolgen werden. Es wäre nicht denkbar, dass der König von Preussen bei ähnlichen Betrachtungen zu dem Entschlüsse nicht käme, seine Regierung in Frieden und Ruhe zu beschliessen. Im Übrigen könnte man in Deutschland selbst Hilfe gegen die ihren Absichten entgegenwirkenden Pläne des Königs finden, indem man mehrere deutsche Reichsfürsten von der Gegenseite abzuziehen und von der eingegangenen Verbindlichkeit loszulösen suche. Dies wäre umso leichter, wenn von Seite des Kaisei’s die Versicherung gegeben würde, keine feindseligen Absichten gegen den Teschener Frieden im Schilde zu führen. „Das vor Kurzem noch so formidable Osmanische Reich, welches der Schrecken der Schwachen gewesen, sei jetzt von Landplagen

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