Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Die Kaiserkrönung Nikolaus I. von Russland 1826. (Aus den hinterlassenen Papieren des FML. Eugen Graf Haugwitz)
122 Die Kaiserkrönung Nikolaus I. von Russland, 1826. Am 3. September hat die Krönung mit aller nur erdenklichen Pracht und Feierlichkeit stattgefunden'). Es war ein imposanter Anblick, den mit Zusehern überfüllten Kreml zu schauen. Um y,9 Uhr ging der Zug in die Kirche, die an sich selbst prächtig, grossartig hergerichtet war. Die Handlung der Krönung im höchsten Sinne erhaben, gross und würdig. Es gab rührende Momente: der Augenblick, wo der Grossfürst Constantin das Knie beugte und von seinem Bruder umarmt wurde, jener, wo die Kaiserin Mutter dem Herrscher huldigte und sofort ihren ') Mit dem schönsten Morgen begann der feierliche Tag, mit den ersten Strahlen der Sonne versammelten sich die Einwohner und das gesammte Heer im Herzen der Residenz, in den Mauern des berühmten Kreml. Nie vielleicht noch hat dieser Platz ein so herrliches Bild gewährt. Die für unzählige Zuschauer erbauten Gerüste, mit rothem Tuche beschlagen, bildeten das majestätischste Amphitheater von der Welt, in dessen Mitte das Kriegsheer mit seinen stolzen Rüstungen und seinen metallenen musikalischen Instrumenten blitzte. Lange herrschte die tiefste Stille in dem grossen Kreise, bis auf einmal Glockengeläute, Kanonendonner, Trompetengeschmetter, Paukenwirbel und Trommelschlag dieses Schweigen unterbrach und die Augen sämmtlicher Zuschauer auf einen Punkt sich richteten ; es war dies die rothe Treppe, von welcher sich zuförderst Ihre Majestät die Kaiserin Mutter, vorn mit der kais. Familie unter einem Baldachin herunter und geraden Weges nach dem Himmelfahrtsdom begab. Hierauf schritten Se. Majestät der Kaiser und seine erlauchte Gemalin herab, stellten sich unter den leuchtenden Baldachin und zogen dem Dome zu. — Der Augenblick war gross und man sah seine Würde in den Gesichtern der Zuschauer. Der Anblick war unbeschreiblich, wie der Gott erwählte Fürst vor seinem Volke erschien, im Purpur, die Krone auf dem Haupte, das Scepter und den Reichsapfel in den Händen, und um den Kaiser seine hohen Brüder, die Grossfürsten Constantin und Michael, und hinter ihnen des Kaisers gekrönte Gemalin, wie ein Engel an Schönheit und Güte, im fürstlichen Purpur. Ein unaufhaltsames „Hurrah“ verschmolz sich mit dem Geläute der Glocken und dem Donner der Kanonen, von denen die Luft und die angeregten Menschen erzitterten. Thränen flössen und die Blicke des Volkes vermochten sich nicht an dem Anblick des Herrscherpaares zu sättigen. Aller Augen suchten dann zunächst den kaiserlichen Thronfolger, und die Versammlung erlabte sich an seinem freundlichen Äussern. So ging der Zug in die Kirche zur Krönung. Dreimalhunderttausend Menschen wogten am Krönungsmorgen auf den Plätzen des Kreml und von Kitaigorod, an den Ufern des Moskauflusses, auf der Brustwehr, den Baiconen und sogar auf den Dächern. Weder das Geläute der Glocken, noch der Donner des groben Geschützes waren im Stande, die Freudenausrufungen des Volkes zu übertäüben. Über Alles erhaben war der Anblick, als der Monarch, angekündigt durch tausend und aber tausend Ausrufungen der Freude und der Begeisterung, aus der Kirche trat und sich dem Volke darstellte, zum ersten Male angethan mit den glänzenden Zeichen, die ihn als Unterpfänder seines Bundes mit dem König der Könige schmückten, umgeben von einem Hofe, dessen Glanz vor dem seinigen dahinschwand, von Feldherrn, die den Ruhm seiner Waffen so hoch gebracht haben, mitten zwischen seinen Brüdern, diesen Mustern der edelmütliigsten Freundschaft, und an der Seite seiner Gemalin, die ihm Gott verlieh, damit die Völker sich gewöhnen, das Beispiel häuslicher Tugend eben da zu suchen, wo sie die höchste Regel für ihre Pflichten gegen den Staat antreffen. Man muss diesen bewunderungswürdigen Anblick selbst genossen, dieses Fortdauern des Jubelrufes mit angehört haben, der sich dem Lärm des Geschützes und dem Geläute der Glocken vom Kreml vermälte, man muss Theil genommen haben an diesem einstimmigen Triumphe der höchsten Gefühle, um den Versuch einer Schilderung machen zu können. „Wiener Zeitung“ 1826.