Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1883)
Kaiser Josef II. als Staatsmann und Feldherr - J. Nosinich, Oberst im k. k. Kriegs-Archive: Österreichs Politik und Kriege in den Jahren 1763 bis 1790; zugleich Vorgeschichte zu den Kriegen Österreiches gegen die französische Revolution
IV. Der bayerische Erbfolgekrieg 1778—1779. 99 zwischen den beiden Häusern Österreich und Brandenburg getheilt werden sollte. Bei solchen Anschauungen des Berliner Hofes und bei den bekannten friedlichen Dispositionen des Wiener Hofes war der bayerische Erbfolgekrieg eigentlich nur durch die Nachgiebigkeit Maria Theresia’s gegen die Überredungsgabe ihres feurigen Sohnes Josef II., sowie durch die übereilte Drohung Friedrich’s II. entstanden. Mit Widerwillen hatte man daher von beiden Seiten zu den Waffen gegriffen. Aus der Correspondenz der beiden Brüder geht hervor, dass für Preussen eigentlich kein bestimmter Kriegszweck vorhanden war und dass Fi'iedrich II. bis Mitte Februar an den Ausbruch des Krieges nicht glauben wollte. „Warum sollte sich Preussen,“ schreibt Prinz Heinrich, „allein mit der Vertheidigung des ganzen Reiches beladen; ein Fürst von dem Rufe des Königs könnte keinen Krieg unternehmen, wenn er nicht zur Vergrösserung seines Staates diente (29. Januar).“ Friedrich II. calculirte indessen, Österreich könnte in keinen Kampf sich einlassen und müsste nachgeben 1. weil er im Bündniss mit Russland sich befand und daher über überlegene Streitkräfte verfügte; 2. er durch seine Handlungsweise die deutschen Fürsten für sich gewonnen; 3. hoffen durfte, Österreich den bundesmässigen Beistand Frankreichs entziehen zu können; 4. dass die ihm bekannte Friedensliebe der Kaiserin Maria Theresia es auf einen Kampf nicht ankommen lassen würde; endlich 5. weil in allen Acten des Wiener Hofes der Wreg der Unterhandlungen und des Ausgleiches Vorbehalten war. Diese Meinung gelangt in dem Briefe des Königs an den Prinzen Heinrich vom 14. Februar 1778 zum Ausdrucke, indem er schreibt: „II reste ä voir si la peur de la guerre obligera l’Impera- trice ä chanter la palinodie ou si par honneur eile voudra soutenir la gageure jusqu’au bout.“ Friedrich II. war von den Dispositionen des österreichischen Hofes thatsächlicli gut unterrichtet. Obgleich Maria Theresia ihre Zustimmung zu dem Einmärsche der k. k. Truppen in Bayern und zur Besetzung des Landes ertheilt hatte, so sprach sich doch in allen Manifesten der k. k. Regierung sowohl, als in den Noten und Denkschriften des Kaisers und des Fürsten Kaunitz der Wunsch nach einer Verständigung der betheiligten Parteien durch Austausch der österreichischen Vorlande oder der Niederlande gegen bayerisches Gebiet, oder aber mittelst Entschädigungen aus. Hätte sich daher Friedrich II. nicht eingemischt, würde er den Herzog von Zweibrücken zum Einspruch gegen das Übereinkommen vom 3. Januar 1778 nicht beredet und in kategorischer Weise die gänzliche Nichtigkeitserklärung der bisherigen Abmachungen zwischen Wien und München verlangt 7*