Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1882)
Josef Rechberger Ritter von Rechkron, Oberstlieutenant im k. k. Kriegs-Archive: Wien's militärische Bedeutung (Eine historische Studie)
II. Wien’s kriegsliistorische Vergangenheit. 311 Noch viel empfindlicher traf Napoleon die Stadt Wien und Gesammt-Österreich im Jahre 1809. Nach dem am 13. Mai erfolgten Einzuge der Franzosen in die Reichshauptstadt eigneten sich dieselben sogleich die Cassen an, welche haare 12 Millionen Gulden enthielten. Abgesehen von der unentgeltlichen Verpflegung der zahlreichen französischen Truppen, musste bis zum Waffenstillstände von Znaim (12. Juli) eine Contribution von 10 Millionen Gulden bezahlt werden. Am 21. Juli beanspruchte der Sieger abermals 2 Millionen Francs, ausserdem aber eine grosse Masse von Tuch, Leinwand, Leder u. s. w. In obigen Ziffern sind übrigens jene grossen Contri- butionen, welche in allen österreichischen Ländern eingetrieben wurden , nicht inbegriffen. Nach der Besitznahme Wien’s erhob Daru Contributionen in der Höhe von 237 Millionen Gulden, und der Friede von Wien kostete überdies 85 Millionen Francs. Bei dem am 20. November erfolgten Abzüge endlich schleppten die Franzosen eine Menge von Kunstschätzen und seltenen Werken, darunter 943 Bände aus der k. k. Hofbibliothek fort. An Territorium verlor Österreich: Salzburg mit Berchtesgaden, Innviertel mit Braunau und Hausruckviertel; Villacher Kreis, Krain, Triester Gebiet, Friaul; Croatien rechts der Save mit sechs Militärbezirken ; Fiume, Österreichiscb-Istrien; ein Gebiet in Graubündten; Gebiete in Sachsen; Westgalizien mit Krakau, den Zamosker Kreis und 170 Quadrat-Meilen von Ostgalizien mit Ausnahme von Brody ')• *) *) Als Ergänzung dessen mögen folgende, der „Geschichte Wiens“ von Gensau entnommenen Daten dienen. Schon die am 11. November 1805 vor Wien angelangte französische Avantgarde forderte: 75.000 Pfund Brod, 25.000 Pfund Fleisch, 200.000 Pfund Hafer, 280.000 Pfund Heu, 375 Eimer Wein. Am 25. November zahlte die ständische Casse 160.000 fl. C.-M. Täglich musste Wien 250 Eimer, und vom 21. bis 26. November 677, am letzten Tage aber 550 Eimer Wein liefern. Den Ständen wurde am 30. November die Lieferung von 150.000 Paar Schuhen und 6000 Sätteln und am 10. December eine Contribution von 32 Millionen Francs auferlegt, wovon die Commune Wien 14 Millionen zahlen musste. Am 11. December leerte der Feind die Magistrats-, Tabakgefällen- und Bank- Haupteassen, was die Stände neuerdings mit 1,700.000 fl., die Stadt Wien aber mit 180.000 fl. C.-M. schädigte. Bis zu letzterwähntem Tage hatte die Stadt Wien für die Verpflegung der feindlichen Truppen allein 2 Millionen Gulden verausgabt. Während der 62tägigen Occupation musste das Land Niederösterreich und die Hauptstadt Wien täglich 800.000 fl. nur für Verpflegung und Fourage (Geld-Contributionen und andere Natural-Lieferungen nicht eingerechnet), d. i. im Ganzen 50 Millionen Gulden aufwenden. Nebst all’ dem hatte die Residenzstadt täglich 2000 Officiere, 20.000 Mann und 5000 Pferde innerhalb der Linien zu bequartieren. Nicht geringer waren die 1809 von der Stadt Wien gebrachten Opfer. Die tägliche Lieferung an Brod allein belief sich auf 58.000 Portionen. Nebstdem mussten am 16. Mai 883 Eimer Branntwein, am 15. Juli 50.000 Ellen Leinwand, am 29. Juli 1194 Eimer Wein beigestellt werden. Abgesehen davon,' dass die Franzosen schon am 13. Mai die magistratische Oberamtscasse um den Betrag von 4 Millionen Gulden in Papiergeld und 500.000 fl. in Silber erleichtert hatten, musste die Stadt am 16. Juni zur Deckung der ausgeschriebenen Lieferungen ein Anlehen von 3 Millionen Gulden contrahiren. Am 21. Juli begehrte der Feind abermals 2 Millionen Francs, 5000 Klafter Holz, 30.000 Centner Heu, 70.000 Ellen Leinwand, 200.000 Ellen Tuch und Unterfutter, 40.000 Centner Stroh, 30.000 Pfund Leder, und in der Zeit vom 4. bis 11. August für 44.000 Mann Bettgeräthe, 73.000