Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1881)
Moriz v. Angeli, Major im k. k. Kriegs Archive: Der Krieg mit der Pforte 1736 bis 1739 - IV. Der Feldzug 1739 und der Friede von Belgrad
IV. Der Feldzug 1739 und der Friede von Belgrad. 467 Pforte bereits Genüge geschehen war, wodurch beide Theile dem Kaiser gegenüber, der sich noch gebunden erachten musste, freie Hand behielten. Dem ersten Berichte folgte bald ein zweiter des Inhalts: dass das russische Ministerium in geheimen Verhandlungen mit der Pforte stehe, und die Untliätigkeit Münnich’s, der um diese Zeit noch hinter dem Bug stand, die Consequenz dieser Praktiken sei. Es wurden endlich diese Mittheilungen noch dahin ergänzt, dass sich Münnich dem Grossvezier gegenüber förmlich verpflichtet habe, nichts Ernstes zu unternehmen, so dass dieser alle Macht gegen den Kaiser concen- triren könne. Die Thatsachen widersprachen diesen Berichten im Allgemeinen nicht. Münnich war wiederholt zu grösserer Energie aufgefordert worden, hatte aber stets seine Unthätigkeit mit jener der kaiserlichen Generale entschuldigt, obwohl durch die Concentrirung der türkischen Hauptmacht in Serbien zweifellos der Fall eingetreten war, wo Russland nach den Bestimmungen des Operations-Vertrages von 1737 verpflichtet gewesen wäre, ohne Rücksicht auf die Operationen seines Alliirten eine solche Diversion zu machen, welche den Gegner hinderte, sich mit voller Stärke gegen die kaiserliche Armee zu wenden. Diese auffälligen Thatsachen mussten schwere Zweifel in die Seele des Kaisers werfen, der unentwegt sein Wort hoclihielt und das Gleiche von seinem Alliirten voraussetzte. Beruhte auch nur ein Theil der eingegangenen Berichte auf Wahrheit, so konnte es der Kaiser solch’ „zweifellosen Machinationen“ gegenüber selbst dann nicht darauf ankommen lassen, das Heil der eigenen Staaten und Völker leichthin zu opfern, wenn auch die Zarin all’ diesen Umtrieben gänzlich ferne stehen sollte. Carl VI. entschied sich daher, falls nicht vor Ablauf des August eine nachdrückliche Diversion Russlands erfolge, den Frieden mit der Türkei auf Basis der Schleifung Azows auch ohne jene Macht, jedoch mit dem Vorbehalte abzuschliessen, dass Russland eine Frist von 3—4 Monaten gewährt werde, innerhalb welcher es sich hinsichtlich des türkischen Ultimatums offen und loyal zu erklären hätte. Von diesem Entschlüsse wurde der Marquis von Villeneuf mit grösster Vorsicht und nur mündlich verständigt, damit die Pforte aus der Geneigtheit des Kaisers zu einem Separatfrieden, nicht Anlass zu neuen Winkelzügen nehmen könne. So weit war die Angelegenheit gediehen, als die Schlacht bei Grozka die Lage völlig veränderte. Durch den gänzlich unmoti- virten Rückzug des Grafen Wallis und den Übergang der Armee auf das linke Ufer, war der Grossvezier völlig Herr der Situation. Das siegreiche Treffen bei Pancsova konnte hieran um so weniger Mittheilungen des k. k. Kriegs-Archivs. 1881. 33