Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1881)

Moriz v. Angeli, Major im k. k. Kriegs Archive: Der Krieg mit der Pforte 1736 bis 1739 - IV. Der Feldzug 1739 und der Friede von Belgrad

Der Krieg mit der Pforte 1736—39. In Folge dieses Umstandes war der Kaiser im entschiedensten Nachtheile sowohl seinem Gegner, als auch seinem Alliirten gegenüber. Die Türken konnten es ruhig auf die Chancen des Krieges ankommen lassen und im günstigen Falle, mit Hinweis auf die, durch die Nicht­beantwortung des Ultimatums abgebrochenen Frieden-sverhandlungen ihre Forderungen beliebig hoch spannen, während sie sich im Falle eines Misserfolges im Felde auf das ihnen bekannte russische Ulti­matum berufen und die Zuhaltung der Propositionen des Kaisers vom 11. März fordern konnten. Als trotz aller Vorsicht der Pforte der wahre Sachverhalt noch rechtzeitig bekannt wurde, erklärte der Kaiser am 23. Juni dem französischen Gesandten, Marquis Villeneuf, dass er sich unter diesen Umständen, und da die Feindseligkeiten bereits thatsächlich begonnen, an seine früheren Zugeständnisse nicht mehr gebunden erachten könne. Ungeachtet dessen erlahmte der Kaiser nicht in seinem Streben den Frieden herbeizuführen. Feldmarschall Wallis erhielt diesbezüg­lich dieselbe Vollmacht, wie sie vor ihm die Connnandanten der kaiserlichen Armee besassen, nämlich: Friedensanträge entgegenzu­nehmen, selbst aber keine zu stellen, sich in keine directe Correspon- denz mit dem Gegner einzulassen, sondern die weiteren Verhandlungen dem Hofe zu Wien anheimzustellen. Da sich aus dem diplomatischen Verkehre mit der Pforte zur Evidenz ergab, dass diese weit weniger Schwierigkeiten hinsichtlich der Anträge des Kaisers erhebe, als mit allem Nachdrucke darauf bestehe, dass Russland Azow schleife, so konnte die Möglichkeit des Friedens nur davon abliängen, dass die Zarin sich den Forderungen der Pforte füge oder der Kaiser sich entschlösse, ohne Russland einen Separatfrieden zu schliessen. Hinsichtlich des ersten Punktes war Russland absolut unnahbar und wies alle Versuche des Kaisers sowohl, als auch Villeneuf’s ent­schieden zurück. Während diese Verhandlungen noch im Zuge waren, trat die Angelegenheit in eine neue Phase, die den Stand der Situation wesent­lich änderte. Sowohl Oberst Baron Reysky, der Militär-Bevollmächtigte des Kaisers bei der Armee Münnich’s, als auch FML. Marquis Bottá, in gleicher Eigenschaft in Petersburg, berichteten Mitte Juli, dass Azow durch eine „zufällige“ Feuersbrunst gänzlich zerstört worden sein solle und dieser „Zufall“ sich im Einverständnisse mit der Pforte ereignet habe. Erwies sich dieses Gerücht als wahr, so standen die Dinge so, dass Russland officiell auf seiner Weigerung, Azow zu schleifen, beharren und dadurch die Friedens versuche des Kaisers paralysiren konnte, während der That nach den Forderungen der 466

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