Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1881)

Moriz v. Angeli, Major im k. k. Kriegs Archive: Der Krieg mit der Pforte 1736 bis 1739 - IV. Der Feldzug 1739 und der Friede von Belgrad

IV. Der Feldzug 1739 und der Friede von Belgrad. 465 Wie so manch’ anderes epochemachende historische Ereigniss umgibt auch den Friedensschluss von Belgrad ein ungewisses Dämmer­licht, das dem forschenden Geiste eine fast undurchdringliche Grenze setzt; — der Psycholog kann für diesen unglückseligen Staatsact eine Erklärung finden, wenn er die Sonde in die tiefsten Tiefen der menschlichen Seele senkt — der Patriot wird ewig vor einem unge­lösten Räthsel stehen. So können auch hier nur die Resultate und die offen vorliegenden Beweggründe Gegenstand der Untersuchung sein; die innern Motive blieben verborgen in der Brust Jener, die das Geschick damals in den Vordergrund der Bühne stellte; die Gruft hat sich über ihnen geschlossen und beschränkt den Epigonen das Recht des positiven Urtheils. Wenn die Verdrängung des Halbmondes und die Ausdehnung der eigenen Grenzen der ersten Action der Alliirten als Ziel vor- schwebte, so geleitete bald nur die Hoffnung auf einen ehrenvollen Frieden ihre weiteren Schritte. Speciell für Österreich war schon der Feldzug von 1737 von sehr entnüchternder Wirkung gewesen und es betheiligte sich lebhaft an den Friedensverhandlungen, welche seit dem Congresse von Niemierow Frankreich für beide Alliirte ver­mittelte. Die Hoffnung des Kaisers, durch die Rückgabe Oczakows und Kimburns die Grenzen des Passarowitzer Friedens intact zu erhalten, scheiterte an der Sprengung dieser beiden Festungen seitens Russlands und dem Verluste Orsova’s, sowie an dem Misserfolge des Feldzuges 1738 überhaupt. Um eine neue Basis für weitere Friedensunterhandlungen zu gewinnen, stellte der Kaiser, nach dem Gutachten der Generalität, am 11. März 1739 den Antrag, Serbien bis an die Morava an die Pforte abzutreten und Orsova zu rasiren, während Russland Azow zu resti- tuiren hätte. In Folge der Weigerung Russlands und hieraus entsprin­gender weitwendiger Verhandlungen stellte endlich die Pforte ihr Ultimatum dahin, dass Azow vollständig geschleift werde, es jedoch Russland freistehen sollte, eine neue Festung zum Schutze gegen die Einfälle der Tartaren zu bauen, wogegen dem Grossherrn das gleiche Recht hinsichtlich der Abwehr der Kosaken gewahrt bliebe. Ohne einen eigentlichen Waffenstillstand abgeschlossen zu haben, enthielten sich sowohl der Kaiser als auch die Pforte aller Feind­seligkeiten bis Ende Mai, dem für die Austragung der Friedens- angelegenheiten bestimmten Termin. Dieser verstrich insoferne unge­nützt, als Russland officiell keine Antwort auf das türkische Ultimatum einsendete, während es dennoch geschah, dass die Pforte zu voll­ständiger Kenntniss derselben gelangte.

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