Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1881)
Moriz v. Angeli, Major im k. k. Kriegs Archive: Der Krieg mit der Pforte 1736 bis 1739 - II. Der Feldzug von 1737
338 Der Krieg mit der Pforte 1Í36—39. Behauptung; es genügt, darauf hinzuweisen, dass Doxat nur in Folge der zufälligen Erkrankung des FML. Leutrum erst am 12. September interimistisch das Commando übernahm. Abgesehen jedoch von dem Antheile, den das geradezu unverantwortliche Benehmen des Feldmarschall Seckendorf an dem Falle von Nissa zweifellos hatte, könnte doch nicht mit Grund behauptet werden, die drakonische Strenge des kriegsrechtlichen Urtheiles, welches vom Commandanten abwärts alle Officiere der Besatzung hart berührte, sei nicht auch zum Theile dem unwillkürlichen Einflüsse der Verhältnisse, wie nicht minder den gravirenden Äusserungen des Feldmarschall Seckendorf zuzuschreiben. Wenn man daher, um möglichst weit zu gehen, annehmen darf, dass das Vorgehen Doxat’s unter günstigeren Umständen auch eine mildere Auffassung gefunden haben könnte, so ist damit doch keineswegs die Auslegung zu verbinden, als sei die Verurtheilung Doxat’s nicht strenge in den Kriegsgesetzen begründet, oder gar ein Ausfluss persönlicher Animosität. Es entschuldigt ihn weder das Fehlen einer besonderen Instruction, denn jeder General weiss auch ohne eine solche, dass er einen ihm anvertrauten Platz nicht auf die erste Aufforderung hin übergeben darf, noch der Mangel an Proviant, der zu einem so raschen Entschlüsse keineswegs drängte. Fünfzig Jahre früher, als die Befestigungen Nissa’s thatsäclilich nur aus Erdwerken bestanden, gab Guido Starhemberg dem Grossvezier die kühne Antwort: „er verstehe nicht türkisch und könne sich also mit den Belagerern in keine Unterhandlungen einlassen“. Obwohl fast ohne Geschütz und ohne jede Verbindung mit der Armee des Markgrafen Ludwig von Baden, vertheidigte Starhemberg mit 2800 Mann die Festung 25 Tage lang gegen das mit Geschütz und Belagerungs-Material ausgerüstete türkische Hauptheer; er capi- tulirte erst, als er die sichere Kunde erhielt, dass er von der kaiserlichen Hauptarmco keine Hilfe zu erwarten habe und der Feind mit seinen Minen bereits den Hauptwall erreicht hatte. Hält man diese heldenhafte Vertheidigung dem Vorgehen Doxat’s zur Seite, der dem ersten Drohen eines ohne Geschütz vor der Festung erscheinenden Gegners nachgab, ohne auch nur Widerstand zu versuchen, so wird man wohl dem sonst bewährten Krieger, den hier das Verhängniss ereilte, das Mitgefühl nicht verweigern wollen, niemals aber die strenge Gesetzmässigkeit des Urtheils anzweifeln können.