Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1881)
Moriz v. Angeli, Major im k. k. Kriegs Archive: Der Krieg mit der Pforte 1736 bis 1739 - II. Der Feldzug von 1737
II. Der Feldzug von 1737. 2(39 faltung der kaiserlichen Macht nacli Osten hin nicht allein wtinschens- werth, sondern unbedingt nothwendig gewesen wäre. Das Resultat der Anstrengungen des Vorjahres lag fast ausschliosslich in der Erkenntniss der vielen Mängel, welche bei der Concentrirung der Armee und den Vorbereitungen zum Kriege zu Tage getreten waren. Während bei der Armee selbst so viele Übelstände sich zeigten, dass man es im November 1736 für nothwendig hielt, zu deren Abstellung den FZM. Seckendorf mit ausgedehnten Vollmachten nach Ungarn zu senden, waren auch bezüglich der übrigen Ressorts keine günstigeren Wahrnehmungen zu machen. Wenn letzteres nicht rechtzeitig geschah oder die Abhilfe unterblieb, so mag dies in den Verhältnissen, sowie auch darin begründet erscheinen, dass der vielverzweigte Verwaltungs- Organismus kein so leicht fassbares und rasch umzuformendes Object bildete wie die Armee. Zur richtigen Beurtheilung des Verlaufes dieses Krieges aber, dessen unglücklicher Ausgang weder der politischen Grundidee, noch dem Mangel an Mitteln oder der Haltung der Truppen unbedingt zugeschrieben werden darf, ist es unerlässlich, das Übergangsstadium von der Führerschaft eines grossen Geistes zu gewöhnlichen Verhältnissen seinem wahren Werthe nach zu beurtheilen und jene Zustände oifenen Auges zu betrachten, in denen der Urquell des Unglückes zu suchen ist, das der Krieg mit der Pforte 1737 bis 1739 über Österreich brachte. Seit fast einem halben Jahrhunderte war es die erste grosse Staatsaction, welche ohne den Rath und die Leitung dos Prinzen Eugen von Savoyen unternommen wurde, und allenthalben fühlte man, dass die Lücke noch nicht ausgefüllt sei, die seit dem Tode des Prinzen in der Rathsstube sowohl als in der Executive klaffte. Ungeachtet dessen aber darf nicht übersehen werden, dass nicht Jeder und Alles sich willig und überzeugt der Suprematie unterworfen hatte, mit welcher der als Feldherr und Staatsmann gleich hochstehende „weise Rathgeber dreier Kaiser“ alle Zweige des Staatswesens umfasste. Wie überall, so bestanden auch hier Gegensätze; während diese aber früher von dem überlegenen Genius niedergehalten oder ausgeglichen wurden, traten sie nun, von dem zwängenden Drucke befreit, um so anspruchsvoller hervor, als sie, von der Unfehlbarkeit der eigenen Idee überzeugt, keinem fremden Gedanken neben sich Raum gönnten. Erwägt man, dass diese einzelnen Ansichten eben so gewiss weder gleichartig noch gleichwerthig waren, als sie jeder Unterordnung widerstrebten, so wird es gar nicht nötliig, erst den sehr weit ausgebildeten Egoismus in Rechnung zu ziehen, mit dem sich jener Zeit der Einzelne dem Staate gegenüberstellte, um zu begreifen, dass der Widerstreit so vieler Meinungen und die Begierde, der eigenen Idee Geltung zu ver-