Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1881)

Moriz v. Angeli, Major im k. k. Kriegs Archive: Der Krieg mit der Pforte 1736 bis 1739 - I. Die Ereignisse im Jahre 1736

I. Die Ereignisse im Jahre 1736. 267 schauplatze und den Zustand der russischen Armee zu Tage. Man erfuhr endlich in Wien, dass Münnich nicht die Vereinigung mit Lacy, sondern die Rettung des Heeres suchte, dessen Trümmer nun­mehr, weit entfernt, die Operationen wieder aufzunehmen, bereits die Winterquartiere in der Ukraine bezogen hatten; man kam zur Ein­sicht, dass, während Russland die Saumseligkeit des Kaisers beklagte, eben die Concentrirung der kaiserlichen Truppen in Ungarn es war, die den Grossvezier besorgt machte und ihn hinderte, den vernichtenden Schlag gegen die an der Samara sich sammelnden Russen zu führen, dass vielmehr der Kaiser es war, der durch die Wehrlosigkeit, in der sich Feldmarschall Münnich befand, nunmehr allein der Pforte gegen­überstand. Es geht ein Zug tiefsten Unmuthes durch das Schreiben, welches der Kaiser im October 1736 über diese Verhältnisse an seinen Ge­sandten in Petersburg richtet; er begründet dort das Misstrauen gegen seinen Alliirten durch die Zweideutigkeit vo? dessen Benehmen, in der allein er sich consequent geblieben sei. Russland halte vor ihm alle zum gemeinsamen Interesse bei­tragenden Daten geheim; der Friede Persiens mit der Pforte soi mehr als wahrscheinlich, und aus den Äusserungen Biron’s und Ostermann’s sei zu entnehmen, dass Russland mit ersterem einverstanden sei und mit der Pforte unversehens einen Separatfrieden schliessen werde. Man könne ihm (dem Kaiser) nun doch nicht zumuthen cs darauf ankommen zu lassen, dass während seine Armee in die Action träte, Russland bereits seinen Frieden mit dem Sultan geschlossen habe. Der Kaiser weist ferner darauf hin, wie er seinerseits die grössten Opfer gebracht habe, um Russland keinen Anlass zur Klage zu geben und die so notkwendige Einigkeit und Freundschaft zu erhalten; wie alle Welt sehen könne, sei er in Verfassung, jeden Augenblick die Grenze zu überschrciteu; unmöglich könne man aber dem Verhalten Russlands gegenüber von ihm verlangen, jetzt schon der Türkei den Krieg zu erklären und dessen ganze Last und Gefahr allein zu tragen, während der eigentlich am ersten betroffene Theil untliätig zusähe. Er (der Kaiser) habe sich durch sein Verhalten schon mehr, als gut und nöthig sei, exponirt, und mache nun die letzte Concession dahin, dass, falls Russland sich verbinde, keinen Frieden ohne den Kaiser zu schliessen (auch wenn derselbe in diesem Jahre nicht mehr zur Action käme), er den Krieg im nächsten Frühjahre mit aller Energie aufnehmen, der Pforte aber schon jetzt erklären wolle, dass sie ihn, falls über den Winter kein allgemeiner Friede zu Stande komme, im nächsten Jahre an Russlands Seite sehen würde '). *) *) Schreiben Carl’s VI. an Graf Ostein. — Kriegs-Archiv 1736, Ease. X; l’/2.

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