Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

36 Vorgeschichte. „Dann also wird eine erneuerte Action der Mächte nothwendig werden, und für diese rechne ich auf das EinverständnissEuropa’s, vor Allem aber und mit voller Zuversicht auf die vertrauensvolle Verständigung der drei Kaisermächte“ etc. An dem nämlichen Tage — 27. Juni 1876 — als obige Depe­sche nach London und Berlin gesendet wurde, ging das serbische Ultimatum nach Constantinopel ab. In diesem Documente verlangte der Fürst Milan die Verwaltung Bosniens behufs Herstellung der Ordnung in der Provinz, sowie die Unterstützung seiner, die Grenzen des Fürstenthums überschreitenden Truppen von Seite der Türkei. Sollte die Pforte diese Forderung ablehnen, so sei Serbien entschlos­sen, dieselbe mit Gewalt durchzuführen und Bosnien und Alt-Serbien zu annectiren. Den 2. Juli Morgens rückten die serbischen Truppen an drei Punkten in das osmanische Gebiet ein; Tags vorher hatte auch Montenegro der Türkei den Krieg erklärt. Die kriegerischen Ereignisse jenseits der Südgrenze veranlassten die k. u. k. Regierung, die beiden Donau-Monitors „Leitha“ und „Maros“ gegenüber Belgrad auf österreichisch-ungarischem Staatsterritorium auf­zustellen, und in der Gegend von Mitrovic an der Save die XX. In- fanterie-Truppen-Division unter Commando des FML. Grafen Szápáry auf dem Friedensstande, als Beobachtungs-Corps und zum Schutze der k. u. k. Unterthanen, zusammenzuziehen. Die Besatzungen Süd-Dal­matiens waren gleich beim Ausbruch des Aufstandes in der Hercegovina durch einige Infanterie- und Jäger-Bataillone, ebenfalls auf dem Frie­densstande, verstärkt worden. Oberstlieutenant Thömmel des General­stab s-Corps ward als Agent beim Fürsten von Montenegro beglaubigt und erhielt vom Minister des Auswärtigen, Grafen Andrássy, folgende Instruction: Die k. u. k. Regierung erwartet, der Fürst Nicolaus werde in sei­nem Vorgehen Alles vermeiden, was die Interessen Oesterreich-Ungarns in Mitleidenschaft ziehen könnte. Wie immer die Waffen entscheiden mögen, so muss das Cabinet sich die Rectificirung der Resultate des Kampfes Vorbehalten. Als Sieger oder Besiegter bedarf der Fürst der Unterstützung Oesterreich-Ungarns. Im ersten Falle, weil die Regierung Sr. Majestät des Kaisers und Königs kein fait accompli anders als nach Massgabe der Interessen der Monarchie annehmen könne, — im zweiten Falle, um gegen unbillige und zu weit gehende Consequenzen eines türkischen Sieges geschützt zu sein. Am 8. Juli fand in Reichstadt die Begegnung der beiden Kaiser von Oesterreich und Russland statt und es wurde hier das Ueber- einkommen getroffen, unter den obwaltenden Verhältnissen mit Besei­tigung aller neuen Vorschläge an der Nichtintervention festzuhalten. Dieser Verpflichtung getreu, beobachtete Oesterreich-Ungarn während der ganzen Dauer des türkisch-serbisch-montenegrinischen Krieges die strengste Neutralität und ernährte über 100.000 bosnische Flüchtlinge, deren Unterhalt für das Jahr 1876 rund 2,122.000 fl. und für das Jahr 1877 rund 3,200.000 fl. beanspruchte.

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