Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

Vorgeschichte. 37 Zur Zeit der unter Vermittlung der Mächte eingeleiteten Waffen­stillstands-Unterhandlungen zwischen dem Grossherrn in Constantinopel und seinen Vasallenfürsten in Belgrad und Cetinje lehnte Graf Andrássy jeden Gedanken ab, den insurgirten Provinzen eine Autonomie zu gewähren. Auf den Vorschlag des englischen Cabinets, als Basis der Frie­densverhandlungen die Verwaltungsreform mit localer Autonomie (administrative reforms in the nature of local autonomy) für Bosnien und die Hercegovina anzunehmen, erwiderte der k. u. k. Minister des Aeussern: „Zu meinem Bedauern können wir die von England vor­geschlagene Basis nicht gelten lassen, weil das Project, aus Bosnien, Hercegovina und Bulgarien autonome Länder zu errichten und gleich­zeitig die Integrität des ottomanischen Reiches aufrecht zu halten, mir gänzlich unvereinbar scheint. — Man möge nicht vergessen, dass wir bei dem wenig erquicklichen Schauspiele der orientalischen Wirren in den vordersten Logen sitzen und dass wir zum mindesten in Bosnien und der Hercegovina die vitalsten Interessen haben — Interessen, die wir weder selbst zu ignoriren, noch ignoriren zu lassen, sondern viel­mehr zur Geltung zu bringen entschlossen sind *).w Anfangs October hatte der kaiserlich russische General, Graf Sumarokoff, ein autographes Schreiben des Kaisers Alexander an Se. Majestät den Kaiser Franz Joseph nach Wien überbracht. Zugleich machte er dem k. u. k. Minister des Auswärtigen eine Mittheilung seiner Regierung, in welcher der Vorschlag einer Besetzung Bulgariens durch russische und Bosniens durch österreichische Truppen enthalten und als das Mittel bezeichnet war, die Pforte zur Annahme der von den Mächten befürworteten Friedensbedingungen zu zwingen und Massacres vorzubeugen. Minister Graf Andrássy erachtete den ersten Tlieil dieses Vorschlages nicht als geeignet zur Erreichung der beiden Zwecke, und war daher nicht in der Lage, ihn anzunehmen *). Am 14. November 1876 veröffentlichte das russische „Journal officiel“ eine Circular-Depesche über die partielle Mobilmachung der Armee und am 10. December schlug General Ignatieff der in Con­stantinopel zusammengetretenen Conferenz der sechs Mächte folgende Punkte zur Annahme vor: für Serbien status quo ante; für Montene­gro Gebietserweiterung, für Hercegovina und Bosnien: Internationale Commission, Rückkehr und Unterhalt der Flüchtlinge auf Staatskosten, Aufbau der zerstörten Häuser und Kirchen durch den Staat, canto- nale Selbstverwaltung, einheimische Polizei, Belassung der Waffen, wo Türken und Christen bewaffnet sind, Entwaffnung der Muham­medaner, wo die Christen nicht bewaffnet sind, etc. Graf Andrássy bemerkte zu diesem Vorschläge, dass bezüglich Bosniens und der Hercegovina Oesterreich-Ungarn in erster Reihe interessirt sei, damit dort keine unhaltbaren Zustände geschaffen wer­') Depeschen vom 15. und 17. September 1876 an Herrn von Novikoff in Wien und Grafen Wolkenstein in London. 2) Depesche vom 30. October 1876 an sämmtliche k. u. k. Gesandtschaften.

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