Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)
Einleitung
Obigen Bericht ergänzend, schilderte Hafiz Pascha selber in einer Unterredung am 14. Juli das seinem Oberbefehl unterstehende Truppen- Corps folgendermassen: Die Stärke desselben in Bosnien belaufe sich auf 23 Infanterie-Bataillone, wovon 19 ganz aus Landeskindern gebildet, fast insgesammt in ihren Ergänzungsbezirken lägen und daher allen Verführungen ihrer Eltern und Verwandten ausgesetzt seien. Auf keines dieser Bataillone könnte er rechnen und würde riskiren, für den Fall ihrer Verlegung aus der Heimat eine Meuterei hervorzurufen. Zwei Bataillone Asiaten und Albanesen, in ihrem Effectivstand auf 250 Mann herabgekommen, mussten durch bosnische Recruten auf 670 Mann ergänzt werden und seien jetzt wenig verlässlich. An Truppen, welche volles Vertrauen verdienen, besässe er nur wenige Bataillone und diese würden zur Bewachung der in Sarajevo, Travnik, Livno etablirten Waffen- und Munitions-Depots verwendet. Ausser in den zuvor genannten Gamisonsorten Bosniens sei nirgends mehr eine Bürgschaft für den Vollzug der vom General-Commando zu erlassenden Befehle vorhanden. Er müsste daher darauf bedacht sein, noch vor dem Einzuge der Oesterreicher durch verlässliche türkische Soldaten die Autorität der Befehlgebung zu befestigen und alle Depots zu besetzen. Zu diesem Behufe wurde vom Kriegsminister die Verlegung der in Sjenica und Mitrovica stehenden acht Bataillone nach Bosnien begehrt. Diese Truppen seien gut gekleidet, disciplinirt und folgen ihm — Hafiz Pascha — unbedingt*). Inzwischen hatten die Vorbesprechungen der österreichisch-ungarischen Bevollmächtigten mit den übrigen Mitgliedern des seit dem 13. Juni in Berlin tagenden europäischen Congresses, sowie die aus obigen Consularberichten über die Unhaltbarkeit der anarchischen Zustände in Bosnien und der Hercegovina gewonnene Ueberzeugung die k. u. k. Regierung bestimmt, einen Theil der Streitkräfte für alle Eventualitäten mobil zu machen. Den Zeitraum vom 15. bis Ende Juli erfüllten fortwährende Agitationen und Umwälzungen, in Bosnien sowohl, als in der Hercegovina. Der Volksausschuss in Sarajevo functionirte trotz seiner von der Behörde verfügten Auflösung ununterbrochen fort, dehnte seine Machtbefugnisse immer weiter aus und usurpirte schliesslich die ganze Regierungsgewalt, indem er sich bezüglich der Landesvertheidigung in zwei Sectionen theilte, wovon die eine das Geld beschaffen und die andere die Mannschaft aufbringen sollte. Letztere liess alle Wehrfähigen vom 15. bis zum 70. Lebensjahr einschreiben und beabsichtigte, aus dieser Massenaushebung 40 Bataillone aufzustellen. Den 21. Juli entfaltete Hadschi Loja die Fahne der Baschi- Bozuks, welche die Invasion an der Grenze bekämpfen sollten, ohne indessen bedeutende Erfolge aufweisen zu können. Die Regierung, mit jedem Tage ihre Ohnmacht mehr fühlend, bereitete sich zu dem bevorstehenden Strassenkampfe in Sarajevo vor und liess die Feldgeschütze aus der Nähe der Caserne in die obere Stadt (sogenannte 76 Die Ereignisse in Bosnien und der Hercegovina v. Jahre 1875 bis Ende Juli 1878. *) Bericht des General-Consulats in Sarajevo vom 15. Juli 1878.