Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

Ueber den Zustand der dem bosnisch-hercegovinischen General- Commando in Sarajevo unterstehenden türkischen Truppen in den Monaten Juni und Juli wurde Folgendes berichtet: „An Kleidung herrscht grosse Noth. Die Nahrung ist nur in den Städten erträglich. Am Marsch, an der Grenze und in den kleinen Garnisonen ist der Soldat ganz der Willkür der Lieferanten und der Corruption der höheren Officiere preisgegeben und erhält anstatt der vorschriftsmässigen Kation etwas Mehl oder gar nur Getreide. Die Waffen sind in gutem Zustande und ausreichend für die wirklich vor­handenen Truppen. Bezüglich der Disciplin und Schlagfertigkeit der letzteren ist wenig Gutes zu berichten. Die Officiere müssen den Sol­daten viele Fehler nachsehen, um ihnen den Dienst, den sie nur unwillig leisten, nicht ganz zu verleiden. Der kleinste Unfall würde eine massenhafte Desertion zur Folge haben. Die Truppen haben nicht die genügende Zahl an Tragthieren für Munition und Effecten, geschweige denn für Verpflegung, Zelte und für den Sanität strain. Schnelle Märsche und Concentrirungen an einem Orte sind mit Hindernissen verbunden. „Man veranschlagt die in Bosnien und in der Hercegovina befindliche Truppenmacht auf ungefähr 25.000 Mann, wovon jedoch nicht 7000 Mann rasch an einem Orte concentrirt werden können. Sollte ein Einmarch der k. k. Truppen in Bosnien und in die Hercegovina gegen den Willen der Hohen Pforte vorgenommen werden und die osmanischen Truppen erhielten Befehl, sich dem Einmarsch zu widersetzen, so würden die türkischen Generale zwar dem Befehl der Pforte nachkommen, allein mit ungenügenden zersplitterten Kräften. Nach wenigen unbedeutenden aber für die k. k. Waffen glück­lichen Gefechten würden sich die bosnischen Truppen sogleich ver­laufen. Die wenigen fremden Bataillone könnten keinen Widerstand leisten. „Allerdings aber wären die Folgen einiger anfangs missglückten Angriffe der Einfallstruppen für die Durchführung der Occupation ungünstig. Der kriegerische Geist der Armee und der Bevölkerung würde erwachen und dem Vordringen derselben manche Verzögerung bereiten. Das Unglück und Elend, welches seit zwei Jahren die muhamme- danische Bevölkerung Bosniens verfolgt, hat deren religiösen Fanatis­mus einigermassen herabgestimmt. Allein nur wenige günstige Gefechte würden denselben wieder aufleben machen. Der Muhammedaner über­legt nicht kaltblütig die entfernten Folgen seiner Handlungen. Sowie die Volksmeinung in Constantinopel sich leichtsinnig in den Krieg begab, und in Folge einiger errungenen Vortheile sich bereits als Siegerin wähnte, ebenso würde der bosnische Muhammedaner nach einigen kleinen über k. k. Truppen errungenen Vortheilen sich alsogleich als unbesiegbar ansehen und überall zu den Waffen greifen und kämpfen, ohne zu bedenken, dass er dadurch sich und den Seinen den Untergang bereitet ‘).u Die Ereignisse in Bosnien und der Hercegovina v. Jahre 1875 bis Ende Juli 1878. 75 J) Bericht des General-Consulats in Sarajevo vom 21. Juni 1878.

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