Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

70 Die Ereignisse in Bosnien und der Hercegovina v. Jahre 1875 bis Ende Juli 1878. schien, als wollten sie sich allmälig in das Unvermeidliche ergeben und resignirt die schliessliche Entwickelung der Ereignisse erwarten. Auf diesen Umschwung der öffentlichen Meinung aufmerksam geworden, be­fürchtete die Pforte das Schlimmste und begann für alle Eventualitäten in Bosnien und der Hercegovina sich bereit zu halten; sie traf näm­lich Vorsichtsmassregeln und suchte diese Provinzen in Verteidigung s- stand zu setzen. Zur Besoldung und Bekleidung der in der Bildung begriffenen Redif-Bataillone 3. Classe wurden der Landescasse 2 Millionen Piaster entnommen. Bedeutende Munitionsvorräthe gingen nach den west­lichen Theilen des Landes ab; Travnik und Banjaluka erhielten allein 20.000kg Kriegsmunition; aus Bosnien wurden 20.000 Oka1) Getreide und von Sarajevo 1000 Colli Montur nach der Hercegovina geschafft. Gegen Ende Mai circulirte unter den Muhammedanern im Geheimen eine Adresse, welche die Verbindung aller Bosnier und Hercegoviner zum Zwecke der Landesverteidigung gegen Oesterreich-Ungarn, Serbien und Montenegro, und die Bitte um Einführung der Autonomie zum Zwecke der Controle der Staatsverwaltung durch den Landtag enthielt. Diese Adresse, welche Itifaknamé, das ist Bundesvertrag genannt wurde, und die Unterzeichner zum solidarischen Vorgehen verpflichtete, ward am 2. Juni dem Vali übergeben. Auch aus Constantinopel gingen Nachrichten in Wien ein, dass ange­sehene und reiche Deputirte von Banjaluka die Fahne der Insurrection aufstecken wollen, wenn österreichisch-ungarische Truppen in Bosnien einrücken sollten. Die Berichte von jenseits der Grenze constatirten hingegen einen allmäligen Niedergang der bosnischen Insurrection in den Kreisen Bihac, Travnik und Banjaluka, und enthielten über die Mannszucht im Heere ungünstige Urtheile. Sieben Officiere sollten sich in kriegsgerichtlicher Untersuchung befinden, weil sie im Verdachte standen, einen bekannten Räuber, Hadschi Loja, zu dessen Ergreifung sie mit 180 Soldaten ausgezogen waren, laufen gelassen zu haben. Es sollen im Lande ungefähr 3000 Deserteure, hausen, die in Banden von drei und vier Mann die Gegenden brandschatzen und unsicher machen. Die Indisciplin und Desertion der Truppen sollen davon herrühren, weil sie ohne Montur, Beschuhung und hei schlechter Verpflegung bereits den 40. Monat auch ohne Besoldung im Dienste ausharrten, die Beamten und Gendarmen aber seit Einführung des Papiergeldes nach und nach zwei Drittel ihrer Bezüge einbüssten. Die Behörden erweisen sich gegen solchen Unfug ohnmächtig: ihre Repressionskraft reiche nicht aus, den vielen, gegen die Bestim­mungen des Gesetzes verstossenden Handlungen Einhalt zu thun2). Anfangs Juni fanden Besprechungen der Muhammedaner in Sarajevo statt, welche zum Zwecke hatten, eine Einigung bezüglich des künf­‘) 100 Oka = 112-6ke. 2) Berichte des General-Consulats in Sarajevo vom Monate Mai 1878, ferner Bericht aus Constantinopel vom 9. Mai 1878.

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