Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

Die Ereignisse in Bosnien und der Hercegovina v. Jahre 1875 bis Ende Juli 1878. 71 tigen Vorgehens zu erzielen. Nach längeren Verhandlungen verständigte man sich dahin, eine gemeinsame Versammlung von Delegirten aller muhammedanischen Volksclassen abzuhalten und zu Entschlüssen wegen einer gemeinsamen politischen Haltung zu gelangen. Diese Versamm­lung wählte sodann einen Volksausschuss aus Muselmanen und Nicht - Muselmanen, welcher eine Schrift über die der Pforte zu unterbreiten­den Wünsche der Bevölkerung verfasste. Dieses Actensttick lautete ungefähr wie folgt: „Bosnien ist durch die Misswirtschaft der Administration dem grössten Elende preisgegeben. Täglich werden Hunderte von Klagen überreicht, ohne dass Abhülfe getroffen wird. Es soll daher ein Volks-Comité eingesetzt werden, welches die Klagen über­nehmen und sichten und dann mit den Behörden die Mittel zur Abhülfe besprechen wird. Es ist nicht gut, Soldaten unter Waffen zu halten, die aus Mangel an Kleidung, Nahrung und Sold die Flucht ergreifen müssen. Es ist nicht recht, die eingefangenen Deserteure zu bestrafen, so lange ihnen gegenüber der Staat seinen Pflichten nicht nachkommt, und es ist unrecht, Soldaten ferner noch einzuberufen und den Familien ihre Ernährer zu entziehen, wenn man das bereits vorhandene Militär nicht ernähren kann. Die Beamten bedrücken das Volk bei jedem Anlasse und vergeuden mit andern verderbten Individuen den Zehent, die Steuern und Zölle derart, dass die Provinz beinahe keine Finanzen hat und ökonomisch täglich mehr herabkommt. Es muss daher auch in dieser Beziehung eine wirksame Controle geschaffen werden.“ Am 8. Juni wurde dieses Schriftstück dem Vali übergeben, der sich mit den darin enthaltenen Forderungen der Vertrauensmänner einverstanden erklärte, worauf das neugebildete Volkscomité am 10. seine Thätigkeit im Regierungsgebäude begann. So beschaffen waren die Verhältnisse Bosniens und der Hercego­vina, als der europäische Congress in Berlin zusammentrat und Oester­reich-Ungarn das Mandat zur Besetzung und Verwaltung jener Provinzen ertheilte. Der österreichisch - ungarische General-Consul in Sarajevo erhielt nun die telegraphische Weisung seiner Regierung bezüglich des Einmarsches der k. k. Truppen und unterrichtete demzufolge sogleich einige einflussreiche Muhammedaner über die neue politische Gestaltung des Landes, indem er gleichzeitig auf selbe sowohl, als überhaupt auf die Beamten und Militärs in dem Sinne einzuwirken suchte, damit sie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln ihre Religions­genossen aufklären und für die Occupation günstig stimmen. Die Eröffnungen des Herrn v. Wassitsch wurden von den ins Vertrauen gezogenen Türken mit Wohlwollen aufgenommen und sie verhehlten ihm nicht, dass alle vernünftigen Muhammedaner in Bosnien sich in die neue, durch den Congress geschaffene politische Lage allmälig hineinfinden werden. Nur für einzelne Individuen der niederen Classen könne man nicht gutstehen. Die Vernunft rathe, alle Vorkehrungen zu treffen, dass der Uebergang so schmerzlos als möglich sich vollziehe. Sie würden in dieser Richtung ihren Einfluss geltend machen, müssten

Next

/
Thumbnails
Contents