Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)
Einleitung
Rechnungen innerhalb 14 Tagen abzuschliessen und die Truppen schlagfertig zu halten. Ueber 500 Towar (1 Towar = circa 100kg) Munition wurden von Novibazar nach Sarajevo gebracht. „Im Grossen und Ganzen,“ berichtete das österreichisch-ungarische General-Consulat, „zeigt sich ungeachtet des Friedens von San Stefano und des Zusammentrittes der Conferenz eine grosse Neigung, bewaffnete Haufen anzusammeln. Unter den bestehenden Verhältnissen kann aber von einer wirklichen Vermehrung der Streitkräfte kaum die Rede sein. An Munition fehlt es nicht. Viele Tausende von Munitionskisten ä 50ks wurden aus dem östlichen Bosnien in das westliche geschafft *).“ Der Monat April verging, ohne dass die Ordnung und Sicherheit im Lande wieder hergestellt worden waren. Ueber 1000 Insurgenten und Räuber trieben sich noch immer in dem nordwestlichen Theil Bosniens herum, obgleich die Provinz eine Truppenbesatzung von 25.000 Mann hatte. In der zweiten Hälfte des Monats April 1878 hatte der k. u. k. Minister des Aeussern bei den Landesbehörden in Zara und Agram sich angefragt, ob unter den Flüchtlingen Neigung zur Heimkehr vorhanden sei, indem die Waffenruhe in Bosnien und der Hercegovina, die vorschreitende günstige Jahreszeit und der ausdrückliche Wunsch der Delegationen die Regierung bestimmen, die Mittel und Wege zur Heimsendung der Flüchtlinge ernstlich zu erwägen. Die diesbezüglichen Antworten lauteten dahin, dass es unmöglich erscheint, bei den in Bosnien und der Hercegovina bestehenden Verhältnissen die Flüchtlinge durch was immer für Zusicherungen zur Rückkehr zu vermögen. Einige Tage später berichtete auch der General-Gouverneur von Bosnien und der Hercegovina an seine Regierung nach Constan- tinopel: die Zurückführung der im Ausland lebenden Flüchtlinge in ihre Pachtungen sei noch nicht möglich, da einerseits ihre Häuser zerstört, kein Ackergeräthe, kein Nutzvieh und keine Nahrungsmittel vorhanden seien, andererseits aber weder die Provinzial-Regierung, noch die zum grossen Theil auf den Bettelstab gebrachten Grundbesitzer über die zur Anschaffung des Fehlenden noth wendigen Geldmittel verfügten. An dieses Factum anknüpfend, bemerkte das k. u. k. General- Consulat in Sarajevo, das Volk habe jede Hoffnung aufgegeben, unter der Herrschaft der Pforte die Wiederkehr geordneter Zustände zu erleben. Der Provinzialrath würde — wenn über die obwaltenden Verhältnisse consultirt — in seiner Mehrheit wahrscheinlich sich dahin aussprechen, die Regelung der bosnischen Zustände sei eine unvermeidliche Nothwendigkeit geworden, der man sich nicht nur fügen, sondern die man zum Wohle des Landes alsbald herbeiführen müsste. Thatsächlich war zu jener Zeit die Bevölkerung müde geworden, den anormalen Zustand noch länger zu ertragen, welcher schon drei Jahre dauerte und schwer auf ihren vitalen Interessen lastete. Die Idee eines Regierungswechsels rief bei den Muselmanen nicht mehr die Gereiztheit und die Zornausbrüche hervor, wie in den vergangenen Tagen; es Die Ereignisse in Bosnien und der Hercegovina v. Jahre 1875 bis Ende Juli 1878. 69 *) Bericht des Herrn v. Wassitscli ddo. 21. Juni 1878.