Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)
Einleitung
Die Ereignisse in Bosnien und der Hercegovina v. Jahre 1875 bis Ende Juli 1878. 65 Aus obigen Gründen stieg im nächsten Jahre 1876 die gegenseitige Erbitterung aufs höchste; Christengemetzel fanden allenthalben statt; Baschi-Bozuks plünderten, raubten und tödteten, was ihnen unter die Hände kam; das nordwestliche Bosnien bedeckte sich mit Ruinen, der grösste Theil des Sandschaks oder Kreises von Bihac wurde zu einer Einöde gemacht, die Districte von Livno, Glamoc und Gra- diska wurden verheert und entvölkert. Im letztgenannten Bezirke blieben von 52 Ortschaften nur vier stehen; die Flecken Petrovac, Majdan, Krupa, Kljuc, Knien Vakuf, Glamoc wurden wiederholt in Brand gesteckt. Selbst reguläre türkische Truppen sollen sich an den Raubund Plünderungszügen der Baschi-Bozuks betheiligt haben. Man schätzte Ende 1876 annähernd auf 5000 die Anzahl der Personen, welche um’s Leben gekommen waren, und auf mehr als 100.000 die Zahl der nach Oesterreich - Ungarn, Serbien und Montenegro geflüchteten Menschen *). In den folgenden zwei Jahren steigerten sich wo möglich die durch Kriegsereignisse hervorgerufenen anarchischen Zustände und damit auch das Elend. Die Regierung hatte durch Massnahmen, welche ihr durch aussergewöhnliche Verhältnisse aufgezwungen worden waren, gegen das Gesetz verstossende Acte, der Selbsterhaltung willen, in Vollzug setzen lassen, und war hiedurch um alle Autorität gekommen. Zur Zeit des ersten türkisch-serbisch-montenegrinischen Krieges vom Monat Juli bis September 1876 wurde die ganze waffenfähige muhammedanische Bevölkerung Bosniens und der Hercegovina zum Kriegsdienste einberufen und theils an der Drina und Javor-Grenze zur Zurückstauung der serbischen Invasion unter den Generalen Alimpic und Zach, theils zur Niederwerfung der Montenegriner und der mit ihnen verbündeten Insurgenten der Hercegovina verwendet. Die Kriegserklärung Russlands Ende April 1877, der Menschenaufwand, welchen die Schlachten und Gefechte des Feldzuges in Bulgarien gegen die Russen und Rumänen verursachten, der precäre Waffen Stillstand mit Serbien und der Kriegszustand mit Montenegro, sowie endlich der bosnisch-hercegovinische Aufstand, stellten ganz ausserordentliche Anforderungen an die Staatskräfte des osmanischen Reiches, und die Pforte griff in ihrer Verzweiflung zu den verwegensten Mitteln, um ihre Streitkräfte zu vermehren und im operationsfähigen Zustand zu erhalten. So wurde Anfangs August 1877 zum zweiten Male die gesammte muhammedanische Bevölkerung männlichen Geschlechts im Alter von 15 bis 70 Jahren unter die Waffen gerufen, obgleich in genannter Epoche 22 Bataillone in Bosnien, 19 Bataillone in der Hercegovina, 13 Bataillone in Novibazar, oder im Ganzen 54 Bataillone ä 400 bis 700 Mann im Lande standen. Dieser zweite Aufruf an die Vaterlandsliebe der Muhammedaner hatte nicht das erwünschte Resultat gehabt; *) Actenstücke aus den Correspondenzen des k. u. k. gemeinsamen Ministeriums des Aeussern über orientalische Angelegenheiten (vom 16. Mai 1878 bis 31. Mai 1877). Österr. militär. Zeitschrift 1879. (MittheiluDgen des Kriegs-Archivs.) 5