Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

38 Vorgeschichte. den, weil die Monarchie schon seit länger als einem Jahre über 100.000 Flüchtlinge ernähren müsse und der Regierung Sr. Majestät des Kaisers und Königs die Sorge obliegt, zu vermeiden, dass derselben diese und noch grössere Lasten dauernd aufgebürdet werden1). Die Conferenzen in Constantinopel scheiterten an dem Wider­stande der Türkei, sich in die Beschlüsse der Conferenzmächte zu fügen, und indem die Pforte auch die Annahme des Londoner Protocolls verwarf, so erklärte Russland am 24. April 1877 an die Türkei den Krieg. Trotz der weitgreifenden Verwicklungen im Orient, welche durch die Kriegserklärung Russlands entstanden waren, hielt Oesterreich-Ungarn seine freundschaftlichen Beziehungen zu allen Mächten aufrecht und wahrte unter Beobachtung stricter Neutralität die berechtigten Interessen der Monarchie nach allen Richtungen. Demzufolge wurde von Seite des k. u. k. Cabinets das von der Pforte am 12. December 1877 gestellte Verlangen, eine Vermittlung zwischen den kriegführenden Mächten behufs Herbeiführung des Friedens eintreten zu lassen, abge­lehnt. In der diesbezüglichen Depesche vom 27. December motivirte der Minister des Aeussern, Graf Andrássy, diesen Act dadurch, dass das türkische Umlaufschreiben keine Unterlage für Unterhandlungen böte, die den Frieden wieder hersteilen könnten. Die Pflichten der Neutra­lität gestatten Oesterreich-Ungarn nicht, die Initiative zu einer Media­tion zu ergreifen, da selbes hiedurch in die Nothwendigkeit versetzt werden würde, die Friedens-Propositionen zu formuliren. Immerhin aber behalte sich das k. u. k. Cabinet die Betheiligung an der Friedens­stiftung vor, sobald dieserwegen die Verhandlungen zwischen den Krieg- führenden begonnen haben werden; desgleichen wahre es sich den legitimen Einfluss auf die endgültige Entscheidung der orientalischen Angelegenheiten, wie dies einer garantirenden Nachbarmacht zukommt. Dieser Standpunkt wurde ebenso in einem Telegramm ddo. Wien, 14. Jänner 1878 an den Grafen Zichy in Constantinopel anlässlich des Vorgehens Russlands, in Form von Waffenstillstands-Bedingungen auch die Friedensvorschläge zu erledigen, festgehalten. Den 29. Jänner erklärte Russland, die von der Türkei angenommenen Friedensbedin­gungen könnten, insoférne sie europäische Interessen berühren, vor erlangter Sanction Europa’s nicht definitiv sein. So wie dieses Zugeständniss von Seite des St. Petersburger Cabinets gemacht worden war, ergriff der k. u. k. Minister des Aeussern, Graf Andrássy, am 3. Februar die Initiative zur Einberufung einer Conferenz der Signatarmächte, um auf diesem Wege eine Verstän­digung Europa’s über die nothwendig erscheinenden Modificationen der Friedens-Präliminarien zwischen Russland und der Türkei zu erzielen. In die Länge sich ziehende Unterhandlungen folgten diesem Schritte. Man konnte sich weder über den Versammlungsort und den Zeitpunkt des Zusammentretens der Diplomaten, noch über die den Berathungs- gegenstand bildenden Artikel der Friedens-Präliminarien, noch endlich über den dem Schiedsgerichte zu gebenden Charakter einvernehmen. *) *) Depeschen ddo. Constantinopel, 10. October, und Budapest, 13. December 1876.

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