Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

24 Vorgeschichte. „Will man daher dem Aufstande einen wesentlichen und sich stets erneuernden Nahrungsstoff entziehen, so ist einer der Punkte, den man von der Pforte verlangen muss, der, dass sie die klare und bündige Erklärung abgehe, das System der Steuerverpachtung nicht blos dem Rechte nach, sondern auch thatsächlich in Bosnien und der Hercegovina zu unterdrücken, wobei unerlässlich ist, dass diese Mass- regel unverzüglich zur Anwendung gebracht werde.“ „Eine der Ursachen, welche das Gleichgewicht der materiell ohnedies schon so drückenden Steuerlast in Bosnien und der Hercego­vina noch erhöhen, ist die, dass die Bewohner sich finanziell zum Vortheile des Centrums ausgebeutet glauben. Sie sind der Ueber- zeugung, dass die Steuerleistung nicht zur Befriedigung der Bedürfnisse der Provinz verwendet wird, sondern dass die Gesammtheit der ein­gehobenen Steuern unmittelbar nach Constantinopel dirigirt wird, um dort von der Centralregierung verbraucht zu werden.“ „Es wäre daher nöthig, die von der Provinz zu tragende Last der Auflage dadurch moralisch zu erleichtern, dass man das Zuge- ständniss verlangte, ein Theil des Ertrages der von der Provinz gezahlten Abgaben werde, unbeschadet dessen, was die Reichsausgaben erheischen, solchen Verwendungen Vorbehalten bleiben, welche den eigenen Interessen der Provinz förderlich erscheinen.“ „Zu diesem Zwecke hätte die Pforte zu erklären, dass der Ertrag der indirecten Steuern wie bisher den Bedürfnissen des ganzen Reiches dienen, dagegen die aus den directen Steuern sich ergebenden Summen in der Provinz verbleiben und ausschliesslich im Interesse der letzteren, zur Vermehrung ihrer Hülfsquellen und zur Hebung ihres Wohlstandes verwendet werden sollen. Die Ueberwachung dieser Massregel wäre unter die Aufsicht einer gewählten Commission zu stellen, von der im Verlaufe dieser Arbeit noch die Rede sein wird.“ „Die traurigen Verhältnisse der Christen in Bosnien und der Hercegovina beruhen zum grossen Theile auf der Natur der zwischen der Landbevölkerung und den Grundeigenthümern bestehenden Bezie­hungen. Die agrarischen Schwierigkeiten haben stets einen eigentüm­lichen Zug von Verbitterung in einem Lande gehabt, wo die Classe der Grundeigentümer sich durch Religion oder Nationalität von der Masse der Ackerbauer unterscheidet. Man hat nur zu viele Beispiele von den leidenschaftlichen Kämpfen, die eine derartige Lage der Dinge nach sich gezogen hat.“ „In den Provinzen, mit denen wir uns hier beschäftigen, befindet sich fast die Gesammtheit der Ländereien, die nicht dem Staate oder den Moscheen gehören, in den Händen von Muselmanen, während die Classe der ackerbauenden Bevölkerung sich aus Christen beider Riten zusammensetzt. Die Agrar-Frage complicirt sich daher durch den religiösen Gegensatz.“ „Nach Unterdrückung des letzten Aufstandes der Beys in Bosnien im Jahre 1851 wurde die Leibeigenschaft aufgehoben. Aber diese Massregel hat, wie es in derartigen Fällen oft geschieht, die Lage der Bauern, statt sie zu erleichtern, nur verschlimmert. Sie werden

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