Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

Y orgesehichte. 23 erlitten hat. Ein Zustand der Dinge, der das Nebeneinanderleben von Bevölkerungen, die sich soeben mit so grosser Hartnäckigkeit be­kämpft haben, ermöglichen soll, könnte daher nur gesichert werden, wenn die christliche Religion rechtlich und thatsächlich auf völlig gleichen Fuss mit dem Islam gestellt, und wenn sie ausdrücklich anerkannt und geachtet, nicht aber blos, wie bis heute, geduldet wird. Das ist der Grund, warum die Mächte unseres Erachtens die volle und unbedingte Religionsfreiheit von der Pforte als erstes und wesentlichstes Zugeständniss nicht nur fordern, sondern auch erhalten müssen.“ „Die Gleichheit vor dem Gesetze ist ein im Hatt-i-Humayum aus­drücklich kundgemachter und durch die Gesetzgebung bestätigter Grundsatz. Ohne Zweifel ist dies die Ursache, weshalb die neuesten Kundgebungen des Sultans es unterlassen haben, seiner Erwähnung zu thun.“ „Aber trotz seiner Rechtsverbindlichkeit wird dieser Grundsatz nicht überall im Reiche angewendet. In der That wird die Zeugen­schaft von Christen gegen Muhammedaner in Constantinopel und den meisten grossen Städten zugelassen; aber in einigen entfernten Provinzen, wie in Bosnien und der Hercegovina, weigern sich die Richter, die Gültigkeit derselben anzuerkennen. Es wäre daher von Wichtigkeit, praktische Massregeln zu treffen, damit die Christen in Zukunft nicht Rechtsverweigerungen zu besorgen hätten.“ „Ein anderer Punkt, welcher dringende Abhülfe heischt, ist die Steuerverpachtung. Schon der Hattischerif von 1839 hat, dies System besprechend, sich folgendermassen ausgedrückt: „Ein bedauer­licher Gebrauch besteht noch, obgleich seine Folgen nur verderblich sein können, nämlich, die der käuflichen Concessionen, welche unter dem Namen „Iltizzam“ bekannt sind. Innerhalb dieses Systems ist die bürgerliche und finanzielle Verwaltung der Willkür eines Einzelnen preisgegeben, das heisst zuweilen der eisernen Faust der heftigsten und habgierigsten Leidenschaften.“ „Und der Hatt-i-Humayum von 1856 besagt: „Man wird auf die raschesten und entschiedensten Mittel bedacht sein, um die Miss­bräuche bei der Einhebung der Steuern, namentlich des Zehents, abzu­stellen. Das System der directen Steuereinhebung soll nach und nach und so rasch als möglich in allen Zweigen der Staatseinnahmen an die Stelle der Verpachtung gesetzt werden.“ „Ungeachtet dieser förmlichen Erklärungen besteht das Ver­pachtungs-System noch in seinem ganzen Umfange.“ „Heute stellt die Pforte Reformen in dieser Richtung in Aus­sicht, aber ohne etwas zu präcisiren. Der Ferman vom 12. December bezeichnet die gegenwärtig in Kraft stehende Methode der Steuer­einhebung als eine anormale. Er verfügt, dass ein Modus der Steuer- Unification gesucht werde. Er ordnet überdies an, dass Massregeln ergriffen werden, „um die Willkür bei der Einhebung des Zehents durch Vermittlung der Pächter zu steuern“; — aber er hebt das Verfassungs-System nicht auf.“

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