Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)
Einleitung
22 Vorgeschichte. tische Hass und dieses Misstrauen müssen der Nachbarschaft anderer Völker desselben Stammes zugeschrieben werden, welche sich des vollen Umfanges jener Religionsfreiheit erfreuen, deren sich die Christen Bosniens und der Hercegovina beraubt sehen. Die unablässige Vergleichung bewirkt in ihnen den Eindruck, dass sie sich unter dem Joche einer thatsächlichen Knechtschaft befinden, dass schon die Bezeichnung „Rajah“ ihnen eine moralisch tiefere Stellung ihren Nachbarn gegenüber anzuweisen scheine, und dass sie mit einem Worte sich als Sklaven fühlen. Mehr als einmal hatte Europa sich mit ihren Klagen und den Mitteln zu beschäftigen, diesen ein Ziel zu setzen. Der Hatt-i-Humayum von 1856 ist eine der Früchte dieser Sorge der Mächte. Aber in den Feststellungen dieser Acte wird die Freiheit der Culte noch durch Klauseln begrenzt, welche namentlich in Bosnien und der Hercegovina mit einer Strenge aufrecht erhalten wurden, die jedes Jahr neue Conflicte hervorrief. Der Bau der dem Gottesdienste und dem Unterrichte geweihten Gebäude, der Gebrauch der Glocken, die Bildung religiöser Genossenschaften finden sich in diesen Provinzen noch Einschränkungen unterworfen, welche den Christen als ebenso viele lebendige Gedenkzeichen des Eroberungskrieges erscheinen, welche sie in den Muselmanen nur die Feinde ihres Glaubens erblicken lassen und in ihnen den Eindruck verewigen, dass sie unter dem Joche einer Sklaverei leben, das abzuschütteln man gleichermassen das Recht wie die Pflicht habe.“ „Der jüngste Ferman berührt allerdings diesen Punkt der Religionsfreiheit, wie das übrigens schon der Hattischerif von 1839, der Hatt-i-Humayum von 1856 und andere aus der Entschliessung der Pforte hervorgegangene Acte gethan haben. Er bestätigt die Gewalten, mit denen die Patriarchen und andere geistliche Oberhäupter für die Angelegenheiten ihrer betreffenden Kirchengemeinden und für die freie Ausübung ihrer Bekenntnisse ausgerüstet sind, aber er kündigt ihnen zugleich an, „dass die ihnen verliehenen Rechte und Ermächtigungen hiefür die Grenze bilden“. Er verspricht auch Erleichterungen für den Bau von Kirchen und Schulen — ein Versprechen, das mehr als einmal in amtlichen Schriftstücken niedergelegt worden ist, aber keineswegs zur Beruhigung dienen kann, weil seine Erfüllung von den Provinzial-Behörden abhängt, die unter dem Drucke localer Einflüsse diese Erfüllung nicht ins Werk zu setzen vermöchten, wenn nicht zum Mindesten der Grundsatz laut verkündigt würde.“ „Der eben veröffentlichte Ferman geht daher über das Mass der Zugeständnisse des Hatt-i-Humayum nicht hinaus, der seinerseits, wie oben bereits hervorgehoben worden, die Religionsfreiheit mit Einschränkungen umgibt, welche im Laufe der letzten Jahre zahlreiche Conflicte heraufbeschworen haben. Umsomehr wird dies heute der Fall sein, nach blutigen Ereignissen, welche den trennenden Zwiespalt der beiden Glaubensbekenntnisse nur noch vergiftet haben. Sollte der Aufstand einmal erstickt sein, so wird das muhammedanische Element sich als Sieger betrachten und ohne Zweifel an den Christen für die Verluste zu rächen suchen, welche es durch einen so heftigen Kampf