Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

Vorgeschichte. 15 Bunde mit einander gehenden Katholiken und Orthodoxen, sondern auch die Muhammedaner daran sich betheiligten, so reichte die tür­kische Kraftentwicklung nicht aus, die ottomanischen Truppen erlitten Schlappen und die Insurrection ergriff auch einen Theil Bosniens. Die Localregierung, welche sich zu schwach fühlte, den Aufstand im Keime mittelst Waffengewalt zu ersticken, zeigte sich versöhnlich und nahm ihre Zuflucht zu Unterhandlungen. Ausser den zwei monte­negrinischen Grenz-Commissären, Hassan Pascha und Constant Effendi, wurden noch zwei Commissäre aus Sarajevo nach der Hercegovina delegirt. Die Insurgenten aber erklärten, mit den bosnischen Commissären nicht unterhandeln zu wollen, verlangten die Entsendung solcher aus Constantinopel, machten für ihre Ideen Propaganda, warben zahlreiche Anhänger an und durch diese verstärkt, stellten sie als Forderung die Befreiung vom Zehentzuschlag, von der Schafsteuer, der Militärtaxe etc. auf; ihr Schlusswort lautete, eher mit den Waffen in der Hand sich vernichten zu lassen, als nachzugeben *). In dieser Weise gelangte die orientalische Frage, d. h. die Frage der Zukunft der Türkei und der türkischen Vasallenstaaten vor das Forum der europäischen Mächte. Nun erhob das russische Cabinet seine Stimme zum Schutze der bedrängten, durch übermässige Besteuerung zum Aeussersten getriebenen Bevölkerung der Hercegovina. Schon gegen Ende Juli wies die St. Petersburger Regierung in einer Note an das Wiener Cabinet hin, welche Gefahren der Aufstand bei eventuellen Einwirkungen von Aussen anzunehmen drohe, wenn es der Türkei nicht gelingen sollte, die Bewegung durch einen kräftigen Schlag zu unterdrücken, da als­dann ein Eingreifen Montenegro’s mit Sicherheit zu erwarten stünde. Dieser besorgnisserregenden Eventualität gegenüber sollte eine combinirte Action der drei Grossmächte Oesterreich, Russland und Deutschland zur Beruhigung der christlichen Bevölkerung jener insurgirten Gebiete unternommen werden. Diese vom Grafen Andrássy als zu wenig concret bezeichnete Eröffnung ergänzte die russische Regierung durch den bestimmt lautenden Vorschlag, eine officiöse Mediation der drei Mächte in dem Sinne eintreten zu lassen, dass durch identische Instructionen an ihre Botschafter in Constantinopel und ein collectives Auftreten der drei Kaisermächte einerseits die Pforte zur Zurückziehung der eingeleiteten Massnahmen und zur Bekanntgabe der den Christen ein­zuräumenden Zugeständnisse vermocht, andererseits aber diese Zuge­ständnisse unter die moralische Garantie der Nordmächte gestellt und zur Beruhigung der Insurgenten und zur Herstellung des Friedens verwerthet würden. In Folge dieser Anregung traten im Anfänge des Monates August, gelegentlich des Besuches des Fürsten von Serbien in Wien, die Bot­schafter von Deutschland und Russland mit dem k. u. k. Minister des Auswärtigen zusammen. Die in diesen Conferenzen erzielte ausnahmslose Uebereinstimmung der Cabinete gipfelte zunächst in dem Satze, dass *) Depeschenwechsel vom 6. Juli bis 1. August 1875.

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