Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

Vorgeschichte. 7 Leitung des Vezirs als Führer des wehrpflichtigen Adels im Kriege. Die Sandschaks aber zertheilten sich in 38 Capitänschäften und die Capi- täne waren mit dem Rechte über Leben und Tod der Rajah ausge­stattet; überdies befehligten sie die Kriegscontingente ihrer Bezirke unter dem Commando des Sandschak-Begs. Die Capitäne und die Spahis bildeten den eigentlichen, erblichen und steuerfreien Kriegsadel. Jeder Einzelne dieser Würdenträger ver­waltete ein Spahilik, das- heisst einen begrenzten District, der ihm den Zehent von allen Bodenerzeugnissen zu entrichten verbunden war. Die meisten Spahis hatten kein anderes Einkommen als den Zehent (Desetina). Dagegen waren die Begs stets Grundbesitzer, welche kein Anrecht auf den Zehent und keine so bindende Wehrpflicht, wie die Spahis hatten. Die Agas gehörten zu dem kleineren grundbesitzenden Adel. Mittelst dieser Einrichtungen waren die Osmanen in den Stand gesetzt worden, gleich nach der Unterwerfung Bosniens 25.000 Reiter zum Kriegsdienste auszuheben. Trotz der Eroberung Bosniens und der Hercegovina blieben die Türken nicht in dem ruhigen Besitze dieser Provinzen. Ungarn führte fast ununterbrochen den Kampf bis zu der Schlacht bei Mohács (29. August 1526), welche die Herrschaft der Osmanen in dem Länder­gebiete dies- und jenseits der Save-Unna fest begründete, fort. In dem der Mohácser Katastrophe folgenden 160jährigen Zeit­räume hatte die Machtausdehnung der osmanischen Eroberer den Gipfelpunkt erreicht und Bosnien blieb fortwährend der unerschöpf­liche Herd jener furchtbaren Raub- und Verheerungszüge, welche die Fluren der österreichischen Vorländer mit Blut und Ruinen bedeckten. Mit selbstbewusster Kraft aber drangen des Kaisers Heere am Ende des 17. und im Anfang des 18. Jahrhunderts auf ihrem Triumphzuge von Wien bis Belgrad, an die untere Donau und Save und pflanzten ihre siegreichen Banner jenseits dieser Ströme in einem grossen Theile Serbiens und in der Walachei auf. Diese herrlichen Waffenerfolge sind in erster Reihe dem Genie und Schwert des Prinzen Eugen, welche die Macht der Osmanen bei Zenta, Peterwardein und Belgrad völlig gebrochen hatten, in zweiter Reihe aber seiner gewandten Feder und der österreichisch-venetianischen Staatsweisheit zu verdanken, die in Karlovic und Passarovic die gemachten Eroberungen in das Besitz­recht zu übertragen wussten. Leider verrückten die Feldzüge von 1737 bis 1739 und der Friedensschluss von Belgrad die Marksteine der Eugenischen Siege wieder zu Gunsten der Pforte. Nun folgte jene lange Periode, in welcher die grosse Kaiserin, um ihr Erbe mit mächtigen Nachbarn im Norden und Westen fortwährend im Kampfe liegend, die Kräfte der Monarchie in jener Richtung nicht einzusetzen vermochte, die dem Reiche der Habsburger durch die Tradition sowohl, als durch die Interessen im Orient vorgezeichnet war. Das Zurückgreifen auf die Traditionen Eugens in der Josephinischen Periode war ein glänzendes Werk von nur kurzer Dauer. Der Preis des Blutes, das unter Loudon bei Belgrad vergossen wurde, ward durch

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