Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

Einleitung. Vorgeschichte. Im Beginne der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als das byzantinische Kaiserthum durch innere Kämpfe dem gänzlichen Verfalle nahe gebracht war und Bosnien als ein selbständiges Reich bestand, drangen die Osmanen über die Meerenge der Dardanellen in Thracien ein, setzten sich in den Besitz mehrerer Küstenstädte und legten hiedurch den Grund zu ihrer Herrschaft im südöstlichen Europa. Bei diesem ersten Auftreten auf dem europäischen Continent war das türkische Volk nicht so sehr durch das numerische Ueber- gewicht, als durch eine kräftige Organisation mächtig und gefährlich. Letztere, die geniale Schöpfung einer ganzen Reihe hochbegabter Herr­scher, hatte vor den orientalischen Staaten eine festbegründete Dynastie, vor den occidentalischen die Einrichtung eines stehenden Heeres voraus; das ganze wehrhafte Volk stand im Kriege diesem Heere zur Seite und bildete eine Macht, welche, in die Hand eines nur durch seinen eigenen Willen bestimmten Gebieters gelegt, den schwächer oder loser constituirten Nachbarstaaten verderblich werden musste. Ein Staats­wesen, das seinen Fortbestand auf militärische Institutionen begründete und seine Kraft aus einer Militär-Aristokratie zog, an deren Spitze Selbst­herrscher standen, welche die unterworfenen Völker weniger regierten, als zu Boden traten, ein Gemeinwesen, dessen Theile durch die Weihe der Religion fester aneinander gefügt waren, als durch das gemeinsame Interesse, konnte sich nur durch beständige Kriege und Eroberungen erhalten. Die Lehre Muhammed’s begründete allein das sociale Vorrecht, umgrenzte innerhalb der verschiedenen, das Reich bewohnenden Völker­stämme die herrschende Kaste, in welche der Christ erst dann, wenn er seinen Glauben abschwor und den neuen annahm, sofort ebenbürtig eintrat. Auf dem Koran und seiner Auslegung beruhten alle staatlichen Einrichtungen; dieses religiöse und bürgerliche Gesetzbuch regelte alle Verhältnisse. Der heilige Krieg bildete Jahrhunderte hindurch das wesentlichste Element der osmanischen Reichsgeschichte. In Dar-ul-Islam, Haus des Islam, und Dar-ul-harb, Haus des Krieges, theilte das muhammedanische

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