Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 3. (1878)
Das Bildungswesen im österreichischen Heere vom dreissigjährigen Kriege bis zur Gegenwart. (Beitrag zu Culturgeschichte Österreichs.) Nach Originalquellen von Josef Ritter Rechberger von Rechkron, Major im k. k. Kriegs-Archiv
6 Das Bildungswesen im österreichischen Heere Ungeachtet der von der Thronbesteigung Kaiser Leopold’s I. bis zum Beginne des I. Zeitabschnittes fast ununterbrochen währende Krieg die österreichischen Länder entvölkert und an den Rand des völligen materiellen Ruins gebracht hatte, machten sich doch in der inneren Staats-Organisation Momente geltend ‘), die in manchen Beziehungen vorbereitend für die Zukunft wirkten. Im Heerwesen hatten Leopold I. und noch mehr Josef II. Reformen angebahnt, die in der Folge als Anknüpfungspunkte dienten, und Montecuccoli2), noch mehr aber Prinz Eugen, gaben den Generalen und Officieren in Bezug auf den Geist der Kriegführung- eine Richtung, die zu stetigem Fortschritte führen musste, wenngleich zu theoretisch-wissenschaftlichem Unterrichte ob der fortwährenden Kriege die Zeit mangelte, und auch die Fachliteratur jener Epoche wenig dazu beitragen konnte. Wohl waren Männer, wie Wir ich Daun, Regal, Kevenhüller etc., bemüht, die Basis des Heereswesens zu befestigen, was namentlich von den beiden Letzteren durch deren reglementarische, im Drucke erschienenen Werke geschah. Zur Verbreitung der Theorie der reinen Kriegs Wissenschaft gab es aber keinen Anlass, denn die Wehrmacht befand sich in einer vieljährigen praktischen Schule. Dass die beste Lehrmeisterin: die Erfahrung, in der kaiserlichen Armee gelehrige Schüler fand, darüber gibt die Kriegsgeschichte das vollgültige Zeugniss. Diejenigen Fächer, welche nach den heutigen Begriffen zu den Hilfswissenschaften zählen, wie z. B. Mathematik, waren theils in lateinischer Sprache, als der Gelehrtensprache, im Druck erschienen, oder nur in dürftigem Masse jenen Compendien beigegeben, welche encyklopädisch Artillerie - Lehre oder Ingenieur - Wissenschaft zum Vorwurfe hatten, wie z. B. der 1713 erschienene „Unterricht in der Pixenmeisterei“, in welchem die wesentlicheren, in das Artillerie-Wesen einschlägigen Materien, als: Pulver-Fabrication, Geschützerzeugung, Verwendung der Geschütze im Kriege u. s. w., aufgenommen wurden. Diese Literatur reicht übrigens sehr weit zurück, konnte aber bis zum Beginne der ersten Decennien des 18. Jahrhunderts nicht wesentlich verbessert werden, da in den Naturwissenschaften der Aberglaube *) 1666 Landgerichtsordnung' für Niederösterreich, 1667 orientalische Handels-Compagnie in Wien, 1669 Commerz-Collegium und Pupillen-Raitkammer in Wien, 1675 Einführung der Taufbücher und Todten-Register, 1679 Verbot, ohne Regierungs- Bewilligung Hexenprocesse zu verhandeln, 1687 Einführung der christlichen Kinderlehre auf dem Lande, 1700 Anfänge der österreichischen Industrie und Fabrication im Grossen, 1702 Wiener Giro-Bank zur Einstellung des Wuchers, 1704—1713 Plan der Errichtung einer Akademie der Wissenschaften (Leibnitz und Eugen), 1716 Beginn der Strassenbauten über den Semmering durch Innerösterreich, über die croatischen Alpen und der Carlsstrasse in Siebenbürgen, 1721 erste (lateinische) Zeitung in Ungarn etc. etc. 2) M o n t e c uc co 1 i’s Schriften, namentlich dessen berühmtes Werk: „Besondere und geheime Nachrichten“, gelangten aber erst später, d. i. in der ersten Hälfte dts 18. Jahrhunderts zur Publicität durch den Druck.