Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 3. (1878)

Das Bildungswesen im österreichischen Heere vom dreissigjährigen Kriege bis zur Gegenwart. (Beitrag zu Culturgeschichte Österreichs.) Nach Originalquellen von Josef Ritter Rechberger von Rechkron, Major im k. k. Kriegs-Archiv

vom dreisaigjährigen Kriege bis zur Gegenwart, 9 der kleine Bruchtheil, welcher die von Maria Theresia in’s Leben gerufenen Militär - Bildungsanstalten betrifft, hat dem Actenmateriale nach einen Umfang, welchen die folgende Darstellung blos nothdürftig und in seinem äussersten Umrisse andeuton kann. Um den geistigen Entwicklungsprocess, welchen die grosse Kaiserin in ihrem Heere anbahnte, richtig aufzufassen, ist es noth- wendig, vorerst einen Blick auf jene Elemente zu werfen, aus welchen dasselbe hervorging. Es waren dies drei völlig von einander ver­schiedene Gesellschaftsclassen, nämlich der Adel, das Bürgerthum und der Bauernstand, welche Gesetz und Culturstufe scharf von ein­ander trennten. Der Adel, welchem der Clerus, die höheren Glieder der staat­lichen Beamten-Hierarchie, die Officiere des Heeres und die „Rentiers“ *), („les gens en place et le rentier“) zugezählt wurden, bildete die erste und bevorzugte Gesellschaftsclasse. Für die wissenschaftliche Bildung gebrach es solchen Personen nicht an Gelegenheit, denn schon Kaiser Carl VI. hatte die lediglich in den Händen der geistlichen Congregationen gewesenen höheren Lehranstalten 1735 einer staatlichen Controle unterworfen und war bestrebt, dieselben zu zeitgemässer Ver­änderung des Studienwesens in genau präcisirter Richtung zu bestimmen; 1773 besassen die Piaristen 24, die Benedictiner 6, und andere geist­liche Orden 11 Gymnasien *) in den Ländern der Kaiserin. Die Universitäten nahmen einen erneuerten Aufschwung; jene von Tyrnau wurde (1777) nach Pest verlegt; in Olmütz (1779) und Lemberg (1784) wurden solche neu gegründet. Bezüglich des höheren Adels stellte Graf Kaunitz den Antrag, die Jugend mehr den „praktischen“ als „speculativen Wissenschaften“ zuzulenken, um aus selber eher „nützliche Staatsbürger“ als „Gelehrte“ zu bilden. Nach der Meinung des Staatsmannes war dieser Theil der Bevölkerung, welcher die meisten Vorrechte besass und die grössten materiellen Vortheile aus dem Lande zog, auch verpflichtet, seine Kräfte und Mittel dem Staatswesen dienstbar zu machen; die jüngeren Söhne aber sollten den Degen führen 1 2 3). Auch der Adel der verschiedenen österreichischen Länder hatte es nicht versäumt, sich Kenntnisse zu erwerben, und fand theilweise sowohl im Staats- als im Heeresdienste Verwendung. Jener überwiegend grössere Theil aber, welcher in solcher Weise nicht Unterkommen konnte, blieb zumeist auf dem Lande, wo die wissenschaftliche Aus­bildung der Kinder nicht nur kostspielig, sondern auch schwierig war. Nach Mari a Theresia’s Regierungsantritte hatte Graf Haug- witz, oberster Kanzler der österreichischen Hofkanzlei, Kärnten und 1) C.-A. Sr. Majestät. Denkschrift des Grafen Kaunitz. 2) Bericht des Unterrichts-Ministeriums vom Jahre 1873. 3) C.-A. Sr. Majestät. Denkschrift des Grafen Kaunitz.

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