Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 3. (1878)

Das Bildungswesen im österreichischen Heere vom dreissigjährigen Kriege bis zur Gegenwart. (Beitrag zu Culturgeschichte Österreichs.) Nach Originalquellen von Josef Ritter Rechberger von Rechkron, Major im k. k. Kriegs-Archiv

8 Das Bildungswesen im österreichischen Heere einem politischen Systeme, welches die Hilfe alliirter Mächte vorweg ausschloss, musste sie während der beiden ersten Regierungsjahre dem beutegierigen Anfalle von fünf Königen und drei Churfürsten widerstehen, die mit ihren vereinten Armeen plötzlich fast alle öster­reichischen Provinzen überflutheten. Der Regentin Muth allein, den sie auch ihren Ministern einzu- flössen wusste („uniquement au courage de Votre Majesté et ä celui, qu’elle a su inspirer ä ses ministres“) ‘), rettete, wenngleich mit schwerem Opfer, Habsburgs Krone und dadurch auch den Fortbestand unserer Monarchie. Inmitten rauchenden Schuttes legte Kaiser Carl’s VI. erlauchte Tochter Hand an ein Regenerationswerk , das selbst Titanenarbeit überragt. Ihr Reich war das so eigenthümliche Staatengefüge, in welchem nicht allein die Bewohner in Sprache, Sitten, Denkungsart, Gewohnheiten, Bedürfnissen und Wünschen sich völlig von einander unterscheiden, sondern in dem auch Gesetze, Privilegien und Her­kommen, weit von der Einheit abweichend, ein wechselseitiges Wider­streben tief begründeten. Und dies allein schon machte Maria Theresia’s Beginnen zu dem unbedingt schwierigsten und verWickeltsten in ganz Europa. Erwägt man dabei, dass das Beharrungsbestreben im Menschen, mit der Trägheit der Materie vergleichbar, auch heute noch, ungeachtet aller Aufklärung und Bildung, den wohlwollendsten Verfügungen der Staats­gewalt einen zähen, passiven, oft unbesiegbaren Widerstand entgegen­setzt, und dass dieser zu Maria Theresia’s Zeit nicht nur im Volke, sondern auch bei den Obrigkeiten der Länder in hohem Masse vor­handen war; so wird es kaum begreiflich, wie der Geist einer Frau, unterstützt durch den Rath einiger hochbegabter Männer, Verhältnisse zu bewältigen wusste, die unentwirrbar erscheinen. Erst musste die äusserst complicirte Staatsmaschine in richtigen Gang gesetzt, die Regierungsbefugniss in den zuträglichen Grenzen erweitert, der bislang im Volke und im Reiche verborgen liegende Schatz zu Tage gefördert, eine Anzahl von Missbräuchen unterdrückt, endlich der despotischen Macht und der Willkür bevorzugter Classen Zügel angelegt werden („bridée l’autorité despotique et abusive de plusieurs catégories de personnes“) 2), ehe an ein Erstarken und Auf­blühen zu denken war. Wer vermag jene Details nur der Zahl nach richtig zu schätzen, welche diese wenigen Worte umfassen ? und die in dem Masse ver­vielfältigt erscheinen, als es österreichische Länder gab, da jedes derselben von den anderen völlig verschiedene Hebel erheischte. Schon ’) Cabinets - Archiv Sr. Majestät, Separat-Abtheilung : Mémoires 1767—1797. 2) C.-A. Sr. Majestät. Denkschrift des Grafen Kaunitz vom 18. Februar 1766.

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