Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 2. (1877)

Beiträge zur vaterländischen Geschichte. I. Major Moriz Edlen v. Angeli: Der Friede von Vasvár. Nach den Original-Acten der k. k. Archive

26 Beiträge zur vaterländischen Geschichte. Die Zwangslage, in der sich der Wiener Hof befand, und die jede Freiheit seiner Entschliessungen beengte, geht aus all’ diesem mit entschiedener Klarheit hervor. Die Schwierigkeit der Situation lässt unschwer erkennen, dass die eigenthümliche Verkettung widriger Verhältnisse, die alle ihre Spitze gegen den Kaiser kehrten, auch bei weit günstigerer Gestaltung der Kriegslage die Beendigung des Kampfes höchst wünschenswerth gemacht haben müsste. So aber wie die Verhält­nisse standen, forderten sie dies gebieterisch. Zweifellos waren die Gründe, welche den Kaiser zum Frieden drängten, von solcher Bedeutung, dass es nur dem Mangel an aufklärendem Quellenmateriale zugeschrieben werden kann, wenn sich ernste Geschichtschreiber bis zu der Be­hauptung versteigen: — der Friede sei geschlossen worden, um den noch jungen Kaiser „in dem Plaisir, so er liebte, durch Kriegssorgen nicht zu stören“, oder — es sei bei den hervorragendsten Feldherrn des Kaisers, Montecuccoli und de Souches, ebensowenig Treue und Glauben zu finden gewesen, als Patriotismus bei Leopold I. und seinen Ministern. — Aber auch der allgemein als historisch unbe- zweifelt hingestellte Satz: gänzlicher Munitionsmangel habe den Kaiser zum Frieden genöthigt, — widerlegt sich durch die Thatsachen von selbst. War keine Munition vorhanden, wie wäre es möglich gewesen, die Operationen noch bis Ende September in offensiver Absicht fort­zuführen ? — wie konnte Montecuccoli es wagen, die türkische Haupt-Armee bei Neuhäusel angreifen zu wollen ? — Bei dem Corps de Souches’ war Munition, wenn auch nicht im Überflüsse, so doch genügend vorhanden *); — nach der Schlacht von St. Gotthard waren in Wien am 2. August 54 Geschütze, 200 Ctr. Pulver, 150 Ctr. Lunten, 120 Ctr. Blei nebst der erforderlichen Eisenmunition zur Abfuhr an die Armee bereit, und der Grazer Hofkriegsrath sendete am 3. und 4. August 53 Ctr. Pulver, 71 Ctr. Blei und 57 Ctr. Lunten nach Radkersburg und Fürstenfeld* 2). Der Munitionsmangel war daher nur ein vorübergehender Übelstand; später konnte also schon davon in Folge dieser Vorkehrungen keine Rede sein, und nur der Umstand, dass der weiteren Operationen fast in keinem Geschichtswerke erwähnt wird, begünstigte die allgemeine Verbreitung eines so offenbaren Wider­spruches. Es könnte genügen, aus den bisher gelieferten Daten den Beweis geführt zu haben, dass nicht Kurzsichtigkeit, nicht Schwäche oder Indolenz die kaiserliche Regierung bestimmten, Frieden mit der Pforte zu machen, wäre es nicht Pflicht der Geschichtschreibung, auch jene, seit mehr als zwei Jahrhunderten im Staube der Acten zum Schweigen verurtheilten Zeugen anzuführen, welche sieghaft dafür eintreten, dass J) Kriegs-Archiv; Fase. IX, 26 d. 2) Kriegs-Archiv; Fase. VIII, 10—11.

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