Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 2. (1877)
Beiträge zur vaterländischen Geschichte. I. Major Moriz Edlen v. Angeli: Der Friede von Vasvár. Nach den Original-Acten der k. k. Archive
22 Beiträge zur vaterländischen Geschichte. über Neustadt nach Wien zu rücken, wieder aufnehraen. In einem Berichte an den Kaiser hob er ausdrücklich die Gefahr hervor, in welcher sich, diesem Unternehmen gegenüber, die Armee „bei grosser Schwächung und völligem Munitionsmangel“ befände ’). Gleichwohl aber ward diese Schlacht indirect Veranlassung zum Frieden. — Der Krieg der Pforte mit dem Kaiser war Achmed K ö p r i 1 i’s erstes grosses Unternehmen, und es musste dem jugendlichen Grossvezier, der, entgegen allen Traditionen des Osmanenreiches, seinem Vater in dieser Würde gefolgt war, begreiflicherweise daran liegen, dasselbe ruhmvoll zu beenden. Wie sehr nun auch das erste Kriegsjahr diesen Erwartungen entsprach, — das zweite stimmte dieselben bedeutend herab. Die Verwüstung eines bedeutenden Landstriches in Nieder-Ungarn durch Z r i n y i, die Siege de S o u c h e s’ in Ober-Ungarn, der den Türken Neutra und Levencz entriss und Párkány verbrannte, waren schon an und für sich genügend, den Grossvezier keinen sehr günstigen Empfang in Constantinopel voraussehen zu lassen; die bedeutende Schlappe von St. Gotthard musste die Lage nur um so mehr verschlimmern. Es liegt nun wohl ohne Beweis nahe genug, dass der Grossvezier unter dem Eindrücke seiner .Niederlage und bei dem augenscheinlichen Unvermögen des kaiserlichen Heeres, aus selber Nutzen zu ziehen, die momentane Gunst der Situation dahin auszubeuten suchte, um durch einen raschen, möglichst vortheilhaften Friedensschluss den Krieg zu beenden, so lange er noch den Verhandlungen mit einer Armee im Felde Nachdruck zu geben im Stande war. Diese Ansicht erhält noch eine weitere Bestätigung durch den Bericht des kaiserlichen Residenten im türkischen Lager, Simon Ren ing er, über die Vorfälle jener Tage. Als kurz nach der Schlacht bei St. Gotthard der Courier des Grossherrn mit dem Befehle eintraf, Alles für dessen im nächsten Frühjahr zu gewärtigende Ankunft beim Heere vorzubereiten, war der Grossvezier hierüber sichtlich verstimmt und liess durch seine Vertrauten Reninger sagen: „Er möchte darob sein, dass Frieden würde, um endlich dieser travaglia los zu sein * 2).“ Der kaiserliche Resident, dem nicht nur die Verhältnisse des osmanischen, sondern ebensowohl auch jene des kaiserlichen Heeres und des Staates überhaupt vollkommen bekannt waren 3), der somit aus einer Fortsetzung des Kampfes keinen Vortheil für den Kaiser erwachsen sah, ergriff ebenso bereitwillig die Gelegenheit, einen Frieden zu vermitteln, dessen Bedingungen zweifellos über jenen stehen mussten, welche der Gegner noch vor Kurzem in seinem Ubermuthe stellte. *) Kriegs-Archiv; Fase. VIII, 22. 2) Reninger’s Berichte 1664. K. k. Haus-, Hof- und Staats-Archiv. 3) „Ich bin diesen ganzen Sommer durch mit der türkischen Armee herumgezogen und habe genugsam gesehen, was vor und nach, sonderlich bei St. Gotthard vorübergegangen . . . .“ Reninger an Montecuccoli. Kriegs-Archiv; Fase. IX, 153.