Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 1. (1876)
Die Schlacht von Königgrätz
22 Die Schlacht von Königgrätz. indem unwiderlegbare Thatsachen das schwierige Richteramt übernommen und festgestellt haben, dass eine mit Hinterladgewehren bewaffnete Armee gegen ein mit altartigen Vorderladgewehren ausgerüstetes Heer die vier- und auch mehrfache Überlegenheit im Gefechte besitzt. Wir lassen die Frage offen, wie sich die Kriegs Verhältnisse von 1866 in Böhmen gestaltet haben würden, wenn die Österreicher mit Hinterladern und ihre Gegner mit Vorderladern in die Action eingetreten wären, und ob es heute überhaupt noch Jemand wagen würde, mit Vorderladern gegen Rückladegewehre in den Kampf zu gehen. Nach diesen Bemerkungen über die Tendenz und Abnormität des „ Jähns’schen“ Werkes gehen wir zur Besprechung seines wesentlichen Inhalts über. Wenn es schon an und für sich etwas Gewagtes ist, eine Entscheidungsschlacht aus dem Zusammenhang der Ereignisse herauszu- reissen und selbständig zur Darstellung zu bringen, so erscheint es schwer verständlich, wie die politische Lage mit den allgemeinen und unmittelbaren Gründen des Krieges, den Machtverhältnissen, „der Veränderung dieser durch das entschlossene Handeln Preussens“ etc. behandelt werden konnte, ohne die veranlassenden Ursachen zu dem Kriege zu erwähnen. Zu letzteren gehören unseres Erachtens die vom Grafen Bismarck über die Stellung Preussens im Parlamente gehaltenen Reden, die freundschaftlichen Beziehungen der regierenden Häuser Österreich und Preussen, die Allianz ihrer Völker und die Waffenbrüderschaft ihrer Kriegsmacht im Kriege gegen Dänemark, die Machinationen der preussischen Diplomatie in Frankreich (Biarritz) und in Italien, wie sie durch die Schrift Lamarmora’s: „Un po piu di luce“ bekannt geworden, endlich das Kriegsbündniss Preussens und Italiens gegen Österreich. Würden diese schwerwiegenden Acte die gebührende Berücksichtigung gefunden haben, so hätte die Darstellung der Machtverhältnisse eine andere sein müssen, denn 20 Millionen Italiener mit einer Land-Armee von 400.000 Mann und einer gewaltigen Kriegsflotte, und 25 Millionen Preussen und sonstige Norddeutsche mit 800.000 Ba jonneten waren jedenfalls der Bevölkerungszahl sowohl, als der Heeresstärke nach Österreich und seinen süddeutschen Verbündeten überlegen. Nur ein diesen Machtfactoren zu Grunde gelegtes Calcul hätte Anspruch auf Berechtigung zur Beurtheilung der politischen und militärischen Lage bei Ausbruch des Krieges erheben können. Die Idee, die Ordre de bataille der österreichischen Nord-Armee brigadeweise nach Nationalitäten zusammenzustellen (pag. 15—18), um daraus zu deduciren, wie tief das österreichische Conglo- meratswesen in der Armee wurzelte, und zugleich deutlich zu veranschaulichen, was zu halten sei von dem oft berufenen „Bruderkriege“, muss als eine höchst sonderbare und