May István: Die Briefe von Antal Reguly an A. A. Kunik, 1845–1855 (A MTAK közleményei 25. Budapest, 1990)

Die Briefe Regulys an A. A. Kunik

37 Mein verehrtesster theuerster Freund! Meine reise bis hieher war recht erträglich. Die kälte die am abend meiner abreise noch so streng war, liess bereits die Nacht nach und hielt sich seitdem die ganze reise hindurch ziemlich in der nähe des frierpunktes; in meinem beeren pelze konnte also vom frieren keine Rede sein. - Von Kovno an fuhren wir auf rädern denn es giebt hier nicht nur sehr wenig schnee, sondern wir fanden, besonders auf den letzten Stationen vor Warschau, die gegend ganz kahl und von schnee fasst (!) gänzlich entblösst. - Das durchreiste land bietet gar nichts interessantes dar und der Eindruck der dem reisenden bleibt kann nur ein trauriger genannt werden, es zeigt sich eine armuth in den (!) Woh­nung, der kleidung, dem fuhrwerke etc. der bewohner, de[r]gleichen ich noch nirgends gesehen habe, wie wohlhabend wie markig und kernig erscheinen die russischen und siberischen gegenden mit ihren bewohnern, im vergleich mit diesen! Sogar ein ostjaki­scher Schlitten zeigt mehr Wohlstand, als so ein aus ungeformten brättern zusammen­geschlagener Schlitten eines polnischen bauem. Wir kamen hier monntag (!) abends an und es ist heute bereits Sonntag - also der sechste tag den ich hier zubringe, und leider werde ich gewiss hier noch bis über­morgen wenn nicht bis mittwoch verweilen müssen, da meine bücher und papiere die man mir in Kovno abgenommen hat erst gestern mit der post hier ankamen, und noch ins Zoll amt (!) und die Censur kommen müssen. Ich wohne im hotel de Rom vis-a-vis der post, denn das Hotel de Dresde war mir, in der Nacht, im mangel an leuten mit de­nen ich mich verständigen hatte können zu beschwerlich aufzusuchen. Ich bezahle für die Nummer 4 gülden und für das Mittag 2 1/2 gülden - was ziemlich billig ist, aber von einer andern Seite habe ich viel ausgaben mein freund! Ich leide seitdem ich Peters­burg verlassen habe an einem wahren Fressfieber. Es ist heute schon der vierte Tag, dass ich des morgens in der zehnten Stunde zum frühstück 2 portion befsteaks od. Kotlette, ein viertel pfund kaviar und etliche kuchen nebst einer vollen flasche rothwein zu mir nehme, und selbst dies reicht nicht hin bis zum Mittage, denn in der ersten stunde muss ich wieder meiner noth in irgend einer Conditorei abhülfe thun - dann kommt in der 5 te n stunde ein reiches mittag bei Louis Halpert oder bei Krusenstem bei denen ich abwechslend (!) speise und des abends wieder zwei portionen und wenigstens eine halbe flasche wein. - Bedenke was diese gefrässigkeit (besonders die 2 bis 2 1/2 bouteillen wein) /täglich/ für geld kostet! - und ich werde mit grosser noth meine Reise nach Frei­waldau machen können, im fall mich die Visitationen meiner bücher noch länger als zwei tage aufhalten wird. - Ich habe in den letzten stunden vor meiner abreise Dir zu sagen vergessen, dass mir Halpert bei meiner abreise noch 20 Rubel-silber aufgedrungen hat. — das ist mein glück, denn sonst hatte ich [müssen] schon bei den (!) östreichischen Consul hier einen Credit mir erbitten müssen. - Mein gesundheits zustand hat also be­reits eine recht günstige Wendung genommen und das zwar durch die erwärmende und belebende Kraft des weines. meide nicht zu sehr den wein mein freund wenn Du von Arbeit frei bisst (!) und deiner erholung einen tag widmest, denn seine Kraft scheint von uns zu sehr verkannt zu sein, mir steigt dieses schöne getränk (nun) gar nicht nach den köpfe, sondern verbreitet mir nur warme im Körper und nimmt seinen Weg [mehr­fasst ganz] (gerade nur) nach dem Unterleib und [den beinen zu nehmen, denn ich]

Next

/
Thumbnails
Contents