May István: Die Briefe von Antal Reguly an A. A. Kunik, 1845–1855 (A MTAK közleményei 25. Budapest, 1990)
Die Briefe Regulys an A. A. Kunik
30 diese angenehme und höchst gemiithliche reise bildet den Übergang von meinem russischen leben in das deutsche, während ich unterwegs mich an den schönen gegenden, in der betrachtung des volkes und in den so lange nicht gesehenen formen des deutschen lebens fast jedem schritt erfreuen konnte; hatte ich wieder, wenn mein fuhrmann, nach jede zwei meilen (14 werst!) die er langsam abtrabte, erhielt, um seinem pferde ein mezel hafer zu reichen, - gelegenheit mich mit den leuten zu unterhalten, und theils durch ihre so heimisch klingende Sprache, theils durch ihre mir zum theil fremd gewordenen lebensanschauungen, unzähligemahl an die früheren Zeiten und an die so nahe stehende heimath erinnert zu werden. - In der schönen festung Neisse (?) wo ich nächtigte, genoss ich die erste ruhe auf deutschem boden, und hier fühlte ich mich, als ich des morgens aufwachte, zum ersten mahle recht weit von Euch entfernt, es war sogar schwer, sogleich mich in meine läge zu finden. Petersburg mit seinem ganzen fabelhaften norden, den ich so lange bewohnt habe, schien mir wie ein träum, ich übersah die jähre und ich kann Dir nicht sagen mein freund, was ich alles dabei gefühlt habe. - aber ein inniges dankgefühl an alle die bei denen ich irgend theilnahme und hülfe während so langjähriger Wanderung gefunden habe - scheint darin doch am stärksten hervorgetreten zu sein, meinen fuhrman bezahlte ich hier in freiwaldau mit den 5 guld(en) münze, die mir meine mutter nach Petersburg geschickt hat und die meine lezte habe ausmachten und ich sitze nun harten muthes auf meinem zimmer und warte bis mir die Post aus Berlin etwas bringt. - Ich wohne im hotel de gräfenberg dem einzigen gasthause der Stadt und habe ein recht geräumiges zimmer, in welchem sich zwei zonen die polar kalte und die tropische hitze gegenseitig abwechseln, da ich braten möchte wenn der warme ofen geheizt wird, und dann wieder erfrieren, wenn er erkältet (!) und der wind durch die schlechsten fenster rasselnd blasst (!). Mein befinden, das Dich vielleicht am meisten interessiren wird, ist genug befriedigend, die dumpfheit und gedankenlosigkeit die nur der druck Euerer künstlichen luft hervorgebracht hat, ist hinweg — Ich habe mich in meiner eisamkeit (!) mein freund! wieder gefunden, und (ich) bin wieder zu einem denkenden selbständigen und freien menschen geworden, ich fühle nicht nur, dass ich nicht dvatsch bin, sondern, dass (ich nun erst zur energie kommen werde und) meine thaten und mein leben nun erst beginnen. gestern als ich meine papiere und bücher, von denen mich nunmehr keine karte des Urals trennen [so//] kann - ausräumte, war ich von freude erfüllt - und ich habe heute bereits begonnen etwas zu lesen und mich in meinen studienkreis wieder hinein zu denken, denn das muss ich thun, um mich geistig und dadurch auch moralisch etwas zu sammeln, und so mein selbstbewusstsein zu erlangen - damit ich (den Schwindel meines kopfes dadurch mehr unterdrücke) und wenigstens weiss (!) was ich thue, wenn ich die hier anfange. - Das trinken seze (!) ich noch fort und mein appetit und meine Verdauung ist noch immer dieselbe riesige - aber ich bin doch seit gestern voll mit misstrauen gegen diesen künstlichen reiz, den der wein hervorbringt - und der ein überreiz genannt werden muss. - denn esse ich nun nicht so habe ich üblichkeit, und es scheint ich muss nur darum so viel in magen stecken, um den zu grossen reiz in ihm zu betäuben und zu ersticken, ich werde denn morgen gewiss ein anathema über das getränk das ich Dir aus Warschau so hoch gepriesen habe, sagen müssen, und so werde