A Veszprém Megyei Múzeumok Közleményei 10. (Veszprém, 1971)
Petánovits Katalin: A sármelléki női viselet a századfordulótól napjainkig
Wandel der Frauentracht in der transdanubischen Ortschaft Sármellék zwischen der Jahrhundertwende und heute Die ungarische Ortschaft Sármellék liegt im Süden des Komitats Veszprém, unweit des Balaton (Plattensee). Die heutige Ortschaft entstand aus der Vergemeindung zweier Siedlungen: Sármellék und Égenföld, deren Entstehen auf mittelalterliche Zeiten zurückgehen. In den Kriegswirren nach 1572 gingen beide Siedlungen zugrunde, die Neubesiedlung kam erst im Jahre 1731 stärker in Gang. Die Gemarkung der derart neuentstandenen Ortschaft hatte einen sehr geringen Umfang, weil sie in dem Latifundienbesitz eingekeilt war. Der Haupterwerbszweig der Bevölkerung war Ackerbau und Tierzucht. Im heutigen Dorf wird die Bestellung des Bodens und die Tierhaltung genossenschaftlich betrieben. Die veränderten Verhältnisse wirken sich natürlich auf die Gesamtheit der Lebensbedingungen der ganzen Dorfbevölkerung, also auch auf die Kleidung aus. Zweck der vorliegenden Studie ist die Darstellung, wie sich im Wandel der Zeiten auch die Frauentrachten gewandelt haben, und Einblick zu geben, wie der soziale Umbruch auf die Lebensbedingungen der Frauen in Familie und Arbeit auswirkte. Vorliegende Studie gliedert sich in drei Abschnitte: I. Analytische Betrachtung der weiblichen Trachtenfolge nach Zusammengehörigkeit und Form der einzelnen Kleidungsstücke IL Funktionelle Bestimmung der Trachtenstücke im Zusammenhang mit den Ereignissen im täglichen Leben und III. Körperpflege sowie Reinhaltung und Aufbewahrung der Trachtenstücke. Die trachtentragenden Frauen und Mädchen nähen im allgemeinen ihre Trachtenstücke eigenhändig. Es gibt aber auch körperlich mißgestaltete Personen (krankhaft Veranlagte oder Verkrüppelte), die nur durch Näharbeit ihr Fortkommen finden können. Die Studie gibt ein Porträt einer solchen bäuerlichen Näherin und berichtet auf Grund ihrer Routine Stück für Stück über Anfertigungsgang, Zuschnitt und die fertigen Trachtenstücke. Die Besprechung der Trachtenstücke erfolgt in zeitlicher Aufeinanderfolge, bedeutet aber niemals, daß zu einer gegebenen Zeit nur dieser eine Typ getragen wurde. Die Trachten, alte und neue, wurden im zeitlichen Nebeneinander getragen. Unmittelbar am Leibe wird der Hemdrock („pendely") getragen (Abb. 1). Er besteht aus 3 bis 5 Breiten und ist in Der Taille dicht gerafft. Nur unter der Brust bleibt ein handbreitgroßer ungeraffter Teil. Zu Beginn des Jahrhunderts wurde der Hemdrock noch aus heimgewebten Leinen gefertigt, später wurde Chiffon benützt. Im vorigen Jahrhundert, aber auch noch zu Beginn dieses Jahrhunderts diente der Hemdrock auch als Oberkleidung für die im Sommer auf Freiem Feld arbeitenden Mädchen und Frauen. Sonst wurden darüber 3—4 Unterröcke getragen. An Werktagen bestand das Material dieser aus farbigem Karton oder Barchent, an Sonn-und Feiertagen aus gesteiftem weißen Chiffon. Außer dem Hemdrock wurde auch noch ein Schulterhemd getragen. In den 60—70er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde noch ein knielanges Ärmelhemd getragen, später aber reichte dieses Hemd nur bis zu der Hüften. Das Material der Schulterhemden war Leinen für den Werktag und weißes Linnen für Sonn- und Feiertrage. In ihrer Fasson waren die kurzen Hemden verschiedenartig: 1. Die älteste Fasson hatte Kragenaufsatz (Abb. 2). 2. Schulterhemd mit Halsausschnitt (Abb. 3—6). 3. Weißes Chiffon-Hemd (Abb. 7). Die Näherin nimmt die Maße derart, daß sie das Material der Auftraggeberin anpaßt und mit Scherenschnitten auch sofort in die gewünschte Form zuschneidet. Der Schnitt des Rocks blieb — mit einigen unwesentlichen Änderungen — der gleiche, wie zu Beginn des Jahrhunderts. Die Länge des Rocks geht über die Knie, während früher sie die Knöchel erreichte. Zur Bemessung des Rocks sind zwei Maße notwendig: Taillenweite und Länge. Das Material des Rocks wird in gleiche Längen gerissen, zusammengenäht und dicht gerafft. Früher wurde vorne, an der Taille, auch ein glatter Teil belassen, neuerdings wird das Material aber rundherum in enge Falten gelegt. Seitwärts wird ein Schlitz gelassen und der untere Rand mit dem Material „Wiener Rot" breit gesäumt. Zum Rock gehört ergänzend die Bluse. Diese Oberkleidung erfuhr seit Beginn des Jahrhunderts die meisten Änderungen. Als Vorlage für die Bluse dient ein aus Papier geschnittenes Muster. Kleinere oder größere Maßabweichungen werden mit Fingerbreiten abgemessen. Die Änderungen der Blusenform wollen wir hier in zeitlicher Folge behandeln, ebenso ihren Zuschnitt sowie die hierauf bezüglichen Lichtbilder (Abb. 9—10, 13, 14, 15—16). Mit der Tracht ist auch eine Schürze eng verbunden. Auch diese wird einer Papierform angepaßt. Die traditionellen Schürzenformen sind alle sog. Halbschürzen, ohne Brustteil (Abb. 11, 17, 18 und 21). Die auch mit Brustteil und Trägerleisten ausgestatteten Schürzen kamen erst später in Mode (Abb. 21). Die Schürze wird niemals abgelegt. Ohne Schürze ist die Tracht unvollständig. Das schönste Stück der Tracht von Sármellék ist die Kopfbedeckung. Am Ausgang des vorigen Jahrhunderts und zur Zeit der Jahrhundertwende bestand die Kopf bedekkung noch aus zwei Tüchern. Das eine wurde unten zurückgebunden getragen, das andere darüber. Das Sonntagstuch war weiß mit reicher Lochstickerei am Rande und an den Ecken. Ältere Frauen trugen ein dunkles Seidentuch. Um das Jahr 1910 kam die Haube (Abb. 23—24) in Mode. Sie ist aus weißem Chiffon und paßt sich eng dem Haarknoten an. Am Saum der Haube sind Spitzen angebracht. Auf die Haube kommt der perlenbesetzte Haarknotenschmuck (Abb. 25—26). Zu Beginn des Jahrhunderts war die perlenbesetzte Haarknotenhaube länger als heute und mit schwarzem Flitterwerk geschmückt. Heute wird der Haarknotenschmuck mit farbigen Perlen verziert. 22* 339