A Veszprém Megyei Múzeumok Közleményei 10. (Veszprém, 1971)

Bartócz József: A veszprémi csutorások

Das Tschutora-Handwerk (Feldflaschendrechslerei) von Veszprém Diese Studie stützt sich auf die im Bakony-Museum von Veszprém aufbewahrten sehr reichhaltigen Zunftschriften und auf gegenständliche Schaustücke. Die Schriftensamm­lung setzt sich aus diesbezüglichen Beschlüssen der Komitats­verwaltung, des Stadtmagistrats sowie der weltlichen oder bischöflichen Grundherrschaft zusammen. Hinzukommen an die Zunft im Laufe der Zeit in lateinischer, deutscher und ungarischer Sprache gerichtete Briefschaften, viele hundert Seiten starke protokollarische Niederschriften der Zunft­vorstehung sowie vertragliche Abmachungen über Tschutora­Lieferungen an das Rüstungskomissariat von Óbuda. Die Tschutora genannte Feldflasche ist ein mehr oder weniger flaches, rundbauchiges und kurzhalsiges Trinkgefäß. Im Laufe der Zeit wechselte auch sehr oft der zur Herstellung verwendete Rohstoff: Holz, Metall, Glas, gebrannte Scher­ben und Leder. Ein solches Gefäß ist nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls „Tschutora" genannten Pfeifenmundstück. Die gleichlautende Bezeichnung selbst ist ein Lehnwort aus dem Südslawischen. Solche Gefäße — mit vielartigen volkskünstlerischen Mo­tiven geziert — sind über das ganze Land verbreitet und werden als Trinkbehälter auch heute besonders von Touristen gerne benützt. Soweit bisher bekannt, war die gewerbliche Herstellung seinerzeit ein Vorrecht der Tschutora-Zunft in Veszprém. Zeitweilig wurden aber solche Gefäße auch von Handwerksleuten in Miskolc und Nagykanizsa gedreht. Jedenfalls besteht die Wahrscheinlichkeit, daß es Anfang des XVIII. Jahrhunderts auch in Nagykanizsa eine Tschutora­Zunft gegeben hat, ihr Schriftenmaterial blieb jedoch bis heute verschollen, so daß auch über ihre Tätigkeit nichts Näheres bekannt ist. Das Tschutora-Handwerk bildete sich im XVII. Jahr­hundert auf dem Balkan (Bulgarien) heraus und gelangte über Kroatien nach Ungarn, bzw. zuerst nach Transdanu­bien. Das Gefäß wurde im Laufe der Zeit ein charakteristi­scher Getränksbehälter in den Weingegenden des Landes —, recht oft wurde es auch als Symbol bacchantischer Freuden gepriesen —, trotzdem kann nicht behauptet werden, als ob das Tschutora-Handwerk altungarischen Ursprungs wäre. In der Geschichte der ungarländischen Zünfte rekrutierte sich nämlich der größte Teil der Meister aus fremden Landen, vornehmlich aus deutschsprachigen. Demgegenüber waren fast 90 v. H. der Mitglieder der Tschutora-Zunft von Veszp­rém ungarischer Herkunft. Die Nähe des Balaton-Weinlandes ebenso wie der reiche Holzbestand des Bakony-Gebirges sicherten geeigneten Roh­stoff und Absatzmöglichkeit für das Tschutora-Handwerk und begünstigten derart in hohem Maße Bildung und Hand­werksfleiß der einstigen Tschutora-Zunft von Veszprém. Im folgenden befaßt sich der Autor der Studie mit der Beschreibung des Handwerks, der Geschichte der Tschutora­Zunft von Veszprém, der Beziehungen zwischen Meistern sowie den Gesellen und Lehrjungen und der zünftigen Privilegien. Zur Herstellung solcher Feldflaschen wurde vorzugsweise Ahornholz benützt. Das Stammholz wurde — anfangs un­entgeltlich — aus den Wäldern besorgt und von den Zunft­mitgliedern eigenhändig gefällt, in die Werkstatt gefahren und dort beabsichtigten Abmessungen des Gefäßes ent­sprechend zerstückelt und mit der Axt grobförmig bearbei­tet. Endgültige Form und Zurichtung erfolgten auf einer besonders gearteten Tschutora-Drehbank. Eine solche Dreh­bank-Spezialmaschine hat die Eigenheit, daß das Messer nicht einen vollen Kreis rotiert, sondern je eine Runde vor­wärts und rückwärts macht. Noch während dieser Zurichtung wird das Werkstück mit einem Spezialwerkzeug auch aus­gehöhlt. Sodann wird in die Seitenöffnung eine genau passen­de Verschlußplatte eingefügt. Schließlich wird der Hohl­raum mit Schmelzharz ausgegossen, damit bei Gebrauch­nahme die Flüssigkeit nicht in den Holzstoff einsickern könne. Der Privilegienbrief der Tschutora-Zunft von Veszprém wurde vom Diözesanbischof Ádám Acsády 1734 in Sümeg, dem damaligen provisorischen Bischofssitz, bestätigt. Ob­wohl in der zeitgenössischen ungarischen Fachliteratur auch das Tschutora-Handwerk (ligno lagenarius) unter den zünfti­gen Handwerksarten angeführt wird, fehlt dennoch jede Spur, als ob es in damaligen Zeiten auf dem Gebiet des Lan­des außer in Veszprém auch anderwärts eine solche Zunft gegeben hätte. Soviel steht jedenfalls fest, daß dieses Hand­werk bereits vor dem Bestätigungsdatum des Privilegienbriefs in der Stadt Veszprém sehr eifrig betrieben wurde, zumal eine Vertragsschrift über die Aufnahme eines Lehrjungens in eine solche Werkstatt schon das Datum 1722 trägt. Trotz der mannigfachen Aufhebungsbeschlüsse wurde die Zunft erst 1879 in eine Gewerbekorporation umorganisiert. Bezeich­nend für den Widerstand der zünftigen Meister ist die Tat­sache, daß die Zunftmitglieder noch im Jahre 1860 zur Weih­nachtszeit eine Vollversammlung abhielten und es erging ein Beschluß, wonach alle die Zunft (und nicht die Gewerbe­korporation) betreffenden Angelegenheiten auch weiterhin nach Maßgabe der zur Zeit des ungarischen Freiheitskrieges 1848/49 geltend gewesenen Sitten und Normen geregelt wer­den müssen. Der Widerstand der Meister, aber auch der vor­erwähnte Beschluß konnte nichts mehr daran ändern, daß zuerst die Zunft, dann aber auch das ganze Handwerk zu bestehen aufgehört haben. Für die Tschutora-Meister von Veszprém war natürlich die gleiche Zunftordnung maßgebend, wie für alle anderen Zünfte. Für das Störgehen der Gesellen galten jedoch andere Sitten und Bestimmungen. Der Freibrief verpflichtete sie wohl zu einer dreijährigen Stör. Aber bereits zu Beginn des XIX. Jahrhunderts beschloß die Zunftversammlung von Veszprém, daß der freigesprochene Geselle statt auf die Stör zu gehen, der Reihe nach eine Zeitlang bei den Zunftmit­gliedern weiterarbeiten mußte. Dies begann er beim Ober­meister selbst und so ging es weiter vom ältesten bis zum jüngsten Meister des Handwerks. Anfangs dauerte diese Gastarbeit je drei, später nurmehr je zwei Monate. Als aber in Kriegszeiten der Mangel an Arbeitskräften immer mehr fühlbar wurde, behalf man sich derart, daß der sich auf „Reihengang" befindliche Geselle beim betreffenden Meister solange arbeitete, bis er die vorgeschriebene Anzahl von 263

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