Gopcsa Katalin (szerk.): Egry (Budapest, 2005)

den getönten Zeichnungen erhielt jetzt bei Egry die Kontur immer stärkeres Gewicht, und die Kompositionen bauten sich zunehmend auf der Wirkung der Umrisse auf Die auf die Rückseite der Bilder gemalten Studienzeichnungen, die Akte auf Plakaten - im Œuvre Egrys eher eine seltene Ausnahme ­und die mit Konturlinien ausgeführten, dekorativen, flächen­artigen Kompositionen der in der Presse veröffentlichten Zeichnungen machen alle einen nachvollziehbaren Prozess deutlich: Egrys Malweise ging von den abgetönten Farben in eine flächenartige Konturierung über. Diese Eigenart seines Stils erkennen wir auch bei dem Gemälde Adam und Eva (Goldenes Zeitalter) (Abb. 9), das Ende 1909, Anfang 1910 entstand. Die Komposition strahlt Ruhe aus, die Motive sind symmetrisch angeordnet. In der Mittelachse des Bildes steht als Symbol des Lebensbaumes ein doppelstämmiger Baum. An diesen dekorativen Baum lehnt sich in der linken Bild­hälfte die nackte Frauengestalt der Eva, die vom Apfel der Erkenntnis kostet, und dem Betrachter zugewandt steht Adam, ein verstecktes Selbstbildnis des Künstlers. Im Vordergrund vermitteln Bäume und mit grünen Blättern dem Laub zu­geneigtes Gebüsch die idyllische Stimmung des Goldenen Zeitalters, sie künden von der harmonischen Beziehung, dem Einklang zwischen Mensch und Natur. Ein dekorativer Bildaufbau charakterisiert das Gemälde Landschaft mit Bäumen (Abb. 8), das in seiner Malweise von den übrigen Werken des Künstlers ziemlich abweicht. Es scheint stark beeinflusst von den farbigen japanischen Holz­schnitten. Der Maler István Szajkó wies daraufhin, dass hier der Baum eigentlich das Negativ eines Baumes ist. Vermut­lich ist das Bild so entstanden, dass Egry zuerst präzise den Baum zeichnete und danach den Hintergrund malte. Die Grundierung der Leinwand - die Farbe des Baumstammes und der Blätter, die der Maler ausließ - hob er sich für später auf Als die Arbeit soweit gediehen war, sah er jedoch, dass das Bild fertig war. Daraus erklärt sich, dass wir im Gegen­satz zu den früheren Landschaftsbildern Egrys, die mit dicken Farben und breiten, kurzen Pinselstrichen ausgeführt sind, auf dem Gemälde Landschaft mit Bäumen kaum Farben sehen. Zwei goldgelbe Aste des Baumes und leuchtende kleine Blätter füllen das obere Viertel des Bildes aus, auf der Faktur des im Licht erstrahlenden, wellig schattierten Vor­dergrundes scheint die Leinwand durch. Der Baum ähnelt den um ihrer selbst willen schönen Blumen. Wir spüren das Aufjauchzen ihrer lichtdurchtränkten Farben. Das kleine Dorf im Hintergrund unterstreicht noch das Strahlen des goldgelben Weizenfeldes, und der mit der Erde nicht nur farblich übereinstimmende Baum trägt das gleiche Pathos, das Béla Hamvas den Bäumen zuordnet. 1916 kam der Reserveoffizier Egry auf Genesungsurlaub ins Lazarett von Badacsony. Die über ihn schreibenden Autoren erwähnen diese Wende in seinem Leben gewöhnlich als Christusalter. In der Tat war Egry dreiunddreißig Jahre alt, als er „in der Atmosphäre der Heimat" zu sich selbst fand. Im Lazarett von Badacsony lernte er seine spätere Ehefrau Juliska Pauler kennen, die den Verstoß aus der Familie und den Skandal in Kauf nahm, sich von ihrem Ehemann Oberst Vizkelety scheiden ließ und ihr Leben mit dem damals noch wenig bekannten, armen Maler verband. Mit der Ehe­schließung, dem Leben in Keszthely und allsommerlich im Kelterhaus in Badacsony (Abb. 17) - das Egry auf mehreren Bildern festhielt - erfolgte nun nicht nur in der Lebensweise, sondern auch in der Kunst des Malers eine wichtige Veränderung. Der Künstler schrieb in seinen Memoiren fast nichts über sein Privatleben. Diese verschämt und zugleich ungeschminkt angeführten persönlichen Begebenheiten erscheinen in seinen Erinnerungen nur wie „Befreiungen aus dem geschlossenen System der Bildstruktur", d. h. unter dem Einfluss des alles verändernden Lichts, das er als malerische Ansicht entdeckte, und der Balatonatmosphäre wandelte sich die bildschöpferische Methode Egrys. Und auch seine Farben veränderten sich. Aurél Benrath wurde Zeuge, „wie er seine alte »mit Kanalfarben« konturierte Malerei aufgab und sich ganz dem Zauber des Balaton hin­gab. Ich war bei der Atelierschau seiner ersten Balatonbilder. Er malte im Hafen von Keszthely, und das war bereits ein echtes Egry-Bild, transparent, leicht und doch von tiefer Wahrheit erfüllt", erinnerte sich Bernáth zur Eröffnung des Egry-Gedenkmuseums in Badacsony. Tatsächlich hatte Egry am Balaton sein Zuhause gefunden. Die Weisen lieben das Wasser, die Menschenfreunde die Berge, heißt es bei Konfuzius. Die Weisheit und die Men­schenliebe, das Wasser und die Berge haben recht gut neben­einander Platz. Egry fand hier beides, den Menschen im Einklang mit der Natur. Die erlebten Berge und die Schwär­merei für das Wasser, wo sich das Ich in der Endlosigkeit verliert, ohne dies als Verlust zu empfinden, ist jener Be­wunderung der Jahreszeiten und meditativen Betrachtungs­weise gleich, von der die östliche Landschaftsmalerei inspi­riert wird. Egry, der vermutlich die östliche Kultur nicht kannte, schreibt darüber: „Eines meiner größten Erlebnisse im Leben war jene Nacht, als ich zum erstenmal mit den Fischern auf den See

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