Gopcsa Katalin (szerk.): Egry (Budapest, 2005)

„Der Balaton - das ist Illusion und Poesie, Geschichte und Tradition, eine Sammlung wehmütiger Märchen, seit uralten Zeiten Geburtsort hervorragender Ungarn, Stolz auf die Vergangenheit und strahlende Hoffnung auf die Zukunft", so schrieb der Schriftsteller und Journalist Károly Eötvös 1899 in seinen Rückerinnerungen Utazás a Balaton körül (Reise um den Balaton), die er seit 1898 in der politischen Tageszeitung Egyetértés (Eintracht) veröffentlichte. Die reiz­volle Beschreibung dieser fünfundzwanzig Jahre zurück­liegenden Reise erregte landesweites Aufsehen, ebenso wie die im Tagesblatt Pesti Hírlap (Pester Nachrichten) abge­druckten Briefe von Lajos Kossuth, in denen er die Schön­heit des Sees rühmte, aber auch die Rückständigkeit der Region anprangerte. „Schön ist dieser Balaton, schön zu jeder Zeit, schön, wenn er ruhig in Flecken seine Farbe wechselt, schön, wenn der heulende Wind aus der Tiefe das Wasser zu Schaum­kronen aufpeitscht, schön, wenn er mit zornigem Grün das Nahen des Sturms anzeigt, aber am schönsten, unüber­troffen schön, wenn die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne oder das liebliche Licht des Vollmonds über die gekräuselte Wasseroberfläche gleiten... Und dennoch tut einem das Herz weh, wenn man über den großen See schaut. Er ist so tot, wie es nur das verfluchte Tote Meer in Palästina sein kann. Eine Wasserstraße von 20 Meilen, größer als manches Komitat oder manches Fürstentum, umgeben von der schönsten Gegend des Vaterlandes, und es fahrt kein einziges Schiff auf dem See, ausgenommen vielleicht die Kähne von Füred oder vereinzelt ein armseliges Fischer­boot... Welcher Fluch Gottes liegt auf dieser Nation?" Kossuths Kritik war in gewisser Weise berechtigt. Die Re­formzeit hatte den Balaton entdeckt, fand ihn aufregend, ge­heimnisvoll, der eingehenden Betrachtung würdig und bestaunenswert, doch lange Zeit kamen nicht eben viele Be­sucher, es fehlte an Schenken, Gastwirtschaften und Unter­künften, weshalb die wenigen, die kamen, nicht lange ver­weilten. Straßen rings um den See wurden nicht gebaut, Eisenbahnlinien gab es nicht. Bis 1910 konnte man von Budapest nicht mit dem Zug nach Balatonfüred reisen. Nach dem Bau der Eisenbahnstrecke am Südufer (1861) begann das Leben zu pulsieren, und in den 1890er Jahren entwickelte sich das Badeleben. In den zwanziger Jahren wurden Straßen gebaut. Auf dem See fuhren Flöße, Ein­bäume und ein paar Segelboote. Am 21. September 1846 startete auf dem Balaton das erste aus Holz gebaute Dampf­schiff mit Schaufelradantrieb, die Kisfaludy. Die am Ufer lebenden Hirten trieben bei großer Hitze ihr Vieh zur Ab­kühlung ins Wasser, und manchmal taten sie es den Tieren gleich. Doch allgemein brauchten nur die Fischer und die Waschfrauen den See, die Anwohner nahmen von dem großen Binnensee eigentlich kaum Notiz. Als sich die ungarische nationale Malerei entfaltete und die Dichter schon mit flammenden Worten die Balatonland­schaft verherrlichten, wählten die Zeichner in der Balaton­gegend vor allem Burgruinen als Motiv und schufen präzise Landschaftszeichnungen. Später wurden ihre Themen viel­fältiger. Die ungarischen Landschaftsmaler, die an ausländi­schen Kunstakademien studiert hatten und sich mit den besten Künstlern messen konnten, waren von der Gegend bezaubert, sie erkannten die Schönheit der unberührten Natur, die gleichsam das Paradies erahnen ließ, und nahmen zugleich auch den überwältigenden Charakter der von Men­schenhand geformten und von der Geschichte geprägten Landschaft wahr. Die Maler bewunderten die Einmaligkeit des Balaton, dem der Dichter Ádám Pálóczi Horváth den Namen „Ungarisches Meer" gegeben hatte, und auf ihren Bildern malten sie nach den klassischen Kompositions­gesetzen des Landschaftsbildes einen schattierten Vorder­grund, rechts und links von belaubten Bäumen und Staffage­figuren gerahmt, ein Mittelfeld, Repoussoir-Figuren zur Steigerung der Tiefenwirkung und einen Hintergrund. Es kam vor, dass sich die Maler von den sturmgepeitsch­ten, schäumenden Wellen inspirieren ließen oder ein ander­mal die spiegelglatte Wasseroberfläche, ein Genrebild der reizvollen ländlichen Stimmung am Seeufer oder gar die urwüchsige Vegetation, das pantheistische Wesen der Natur wiedergaben. Mit seiner Ausgeglichenheit und seinem Reich­tum vermochte der Balaton jedem Künstler das zu geben,

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