A Nyíregyházi Jósa András Múzeum évkönyve 39-40. - 1997-1998 (Nyíregyháza, 1998)

Néprajz - Lujza Ratkó: Tradition und Modernität im Lichte der ethnographischen Wissenschaft

Lujza Ratkó Tradition und Modernität im Lichte der ethnographischen Wissenschaft Der vorliegende Aufsatz - er wurde im August 1994 anläßlich des vierten Kongresses junger Ethno­graphen in Budapest als Vortrag gehalten - versucht im Rahmen einer kurzen Bilanz die bisherige Wirk­samkeit der ethnographischen Wissenschaft in Ungarn bzw. ihre gegenwärtige Lage zu klären und gleichzeitig neue Richtungen für ihren Fortgang an der Schwelle des 21. Jahrhunderts, in der letzten Periode des Verschwindens der traditionellen volks­tümlichen Kultur, festzulegen. Vor allen Dingen lenkt er die Aufmerksamkeit auf das widersprüchliche, schizophrene Verhältnis zwischen unserer Disziplin und ihrem Gegenstand, das in dem wesentlichen Unterschied zwischen der Traditionalität der bäuer­lichen Kultur und dem modernen Charakter dieser Wissenschaft wurzelt. Denn während für die Tradi­tion in erster Linie das Sakrale sowie die ungeachtet der ständigen Veränderungen zum Ausdruck kom­mende Eigenidentität, Unveränderlich keit und Kon­tinuität charakteristisch sind, stellt die Modernität ­die als der Tradition entgegenwirkende Antitradition entstand und zu deren schrittweisem Vergessen führte - das genau Gegenteil all dessen dar: Sie ver­tritt das Profane und hat paradoxerweise aus der ständigen Veränderung bzw. Entwicklung eine „Tra­dition" geschaffen. Von der traditionellen Kultur des Volkes war die Ethnographie - weil eine moderne Wissenschaft - infolge ihrer modernen Betrach­tungsweise und rationellen analytischen Methoden nur das imstande zu sehen, was in den Bereich der Ratio fiel. So aber kann die Untersuchung eines nicht rational aufgebauten Forschungsgegenstandes nur zu einseitigen Teilergebnissen führen. In den letzten Augenblicken des Verschwindens der traditionellen bäuerlichen Kultur greift die Ethnographie nach immer neuen - und daneben immer moderneren ­Gebieten der Materialsammlung. Doch statt die Forschung quantitativ auszudehnen, wären ein qualitativer Anschauungswandel bzw. die Ver­tiefung der Betrachtungs- und Untersuchungsmetho­den notwendig, damit unsere Disziplin, ihre alte Schuld begleichend, die volkstümliche Kultur in adäquater Weise, als kohärente und konsequente Tradition untersuchen und so endlich ihre tatsäch­lichen Bewegkräfte bzw. ihr prinzipielles Wesen erschließen kann. Übersetzt von Gotlind B. Thurmann Lujza RATKÓ Museumsdorf Sóstó Sóstógyógyfürdő H-4431, Pf. 1. 156

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