A Nyíregyházi Jósa András Múzeum évkönyve 37-38. - 1995-1996 (Nyíregyháza, 1997)
Régészet - János Makkay: Preciosissima amphora aurea nobilissimis gemmis undique adornata mire pulchritudinis, a tempore regis Ungarie Attile usque nunc in Ungaria conservata oder Die edelsteinbesetzte Goldschale der Arpaden und die Attila-Überlieferung
János Makkay Dies, darüber besteht kein Zweifel, ist die exakte Beschreibung der Pariser Khosrau- oder eher PerozSchale. Es liegt auf der Hand, daß die Quellen eine genausolche edelsteinverzierte Goldschale auch im Schatz der Arpaden erwähnen, nur eben leider nicht beschreiben. Diese verloren gegangene Schale kann auf keinen Fall die Pariser Peroz-Schale sein. In der Schatzkammer der Arpaden wurde demnach eine edelsteinbesetzte Goldschale sassanidischer Herkunft aulbewahrt, von der man wegen ihres Alters offenbar schon damals annahm, daß sie einst König Attila gehört hat. Die einzige logische Möglichkeit ist, daß in der das Schatzgefäß erwähnenden Überlieferung zwar von Attila die Rede ist, im Grunde aber ebenso die Denkmäler der Spätawarenzeit gemeint sind, wie das Waltharius-Epos zwar Attila erwähnt, jedoch von den Awaren - Avares - spricht. Dasselbe trifft auf die hunnische Überlieferung bei Kézai (ung. Chronist im 13. Jh.) zu, von der wir heute bereits wissen, da sie einzelne Ereignisse der fränkisch-awarischen Kriege von 791 autbewahrt hat [vielleicht im awarischungarischen Nachlaß, durch Vermittlung von Spielleuten (BONA 1973-155.)]. Unabhängig davon ging in den Flammen von Attilas Scheiterhaufen tatsächlich eine edelsteinbesetzte sassanidische Goldschale unter, die der für Peroz gefertigten Pariser Schale übrigens bis ins Detail glich. Es gäbe vieles, wessen die Zweifler Kézai anklagen könnten, des einen vielleicht aber doch nicht, daß er vorausgeahnt und besungen hat, was einfache Dorfbewohner nach dem Ersten Weltkrieg in Nagyszéksós finden würden. Demnach kann die einzige sinnvolle Erklärung der hier kurz summierten Beziehungen nur lauten, daß es nach iranischem Muster in der Schatzkammer jedes hunnischen und nach der Hunnenzeit eines jeden Herrschers der Steppennomaden eine oder mehrere solcher Goldschalen gab, und außer diesen auch Silberschalen, wie sie sie anderere Vornehme ebenfalls besaßen. Auch die silberne Schale Ladislaus des Heiligen war vermutlich ein solches Stück, das ursprünglich nicht dem König, sondern dem mit dem König in Geschwisterlinie verwandten Vasul-Zweig gehörte und so an König Ladislaus vererbt wurde. Denn dem fürstlichen und später königlichen Zweig der Arpaden stand eine edelsteinbesetzte Goldschale zu. Bei Festgelagen trug man zuerst die blutige Lanze um die Tische herum, dann die Fackeln. Ihnen folgte, in der Hand eines Mädchens, die edelsteinverzierte Schale. Die Frage der Schale beweist also nicht nur die auf eine sehr frühe iranische Antiquität zurückzuführenden Verbindungen zwischen der Legende des hl. Ladislaus und dem Sagenkreis um Artus. Darüber hinaus ist sie Beweis des tatsächlich vorhandenen Attila-Bewußtseins - wenn man so will: hunnischen Herkunftsbewußtseins - der Arpaden, dessen unmittelbare Wurzeln selbstverständlich auf jene spätawarenzeitlichen Ahnen zurückgehen, welche die onogurischen Vorfahren der Arpaden waren, und die in westlichen Quellen mit Vorliebe als Hunnen bezeichnet wurden. Weshalb also sollten die Arpaden sie nicht auch für Hunnen gehalten haben dürfen? Vor allem wenn sich herausstellt, daß die Vorfahren dieser Onoguren im 5- Jahrhundert wirklich Hunnen gewesen sind. Alldas ist demzufolge keine Erfindung von Simon Kézai oder eben Anonymus, sondern historische Tatsache. Eine andere und wohl kaum irgendwann lösbare Frage ist, wie alt die jahrhundertelang in der Schatzkammer der Arpaden aufbewahrte edelsteinbesetzte Goldschale gewesen sein mag. Daß es ein Werk der sassanidischen Goldschmiedekunst war, kann nicht ausgeschlossen werden, und ebenso könnte sie aus dem 5. Jahrhundert gestammt haben. Wir wissen, daß eines der im Grab des um 640-660 verstorbenen onogurischen Khagans Kuvrat gefundenen sassanidischen Gefäße Anfang des 4. Jahrhunderts angefertigt wurde. Hier handelt es sich um die vergoldete Silberschale, die Shapur IL (309379 n. Chr., einzelnen Meinungen nach sogar Shapur L, 240-270) bei der Gemsenjagd darstellt. Das Stück entstand in den Jahren 310-320. Bevor es also in das Grab Kuvrats gelangte, wurde es 350 Jahre lang in verschiedenen Schatzkammern aufbewahrt oder fortlaufend benutzt. Zweifellos steht alldas in enger Beziehung zu jenen Elementen iranischen Ursprungs, die sich auch im Zusammenhang mit einem anderen wichtigen Detail des Sagenkreises um Artus sowie der Legende des hl. Ladislaus nachweisen lassen - der sog. Rast-Szene des Mädchenraubes (MAKKAY 1996.). Ich bin mir sicher, daß diese Ähnlichkeiten sehr tief wurzeln: an erster Stelle im Nachlaß der Sarmaten und Alanen der Tiefebene aus dem 2.-4. Jahrhundert. Die in der ungarischen religiösen und Volksliteratur bzw. Glaubenswelt des 13-14. Jahrhunderts vorhandenen lyrischen und epischen Überlieferungen dieser Art sind nicht durch westliche Einflüsse entstanden, sondern in beiden Gebieten Reste des alten iranischen Erbes. Im Westen blieben sie eher im Kreis der Ritterlegenden erhalten, bei uns hingegen hauptsächlich in Verbindung mit Ladislaus dem Heiligen. Und zwar mit jenem hl. Ladislaus, dessen Rolle in einer der Heldensagen iranischen Ursprungs die Szenen auf Wandgemälden in den Kirchen des Szekler- und Zipserlandes, West- aber auch Innerungarns bewahrt haben: die LJberwältigung des Kumanen, der ein Mädchen raubt, und die Befreiung des Mädchens. Diese Szene war eines der Kernstücke des einst auch zum Volke der Arpaden gehörenden Heldenepos, das gerade seiner zentralen Bedeutung wegen der Gestalt unseres Königs Ladislaus zugeordnet wurde und durch die Hand und den Mund des Volkes auch als einziges bis zum 16. Jahrhundert erhalten blieb. Es leuchtet ein, daß János Arany, als er im vergangenen Jahrhundert damit begann, nach den Resten der urungarischen Heldenepik zu forschen, noch nicht auf diese damals von der Wissenschaft nicht einmal erahnten, von Historikern und Literaturhistorikern bis heute weder erkannten noch aufgeklärten und allein von Gyula László verstandenen Details stoßen konnte. Ich sehe es für gewiß an, daß diese Ähnlichkeiten nicht daraus resultieren, daß sich die lyrische oder epische Ritterdichtkunst im Ungarn des 13. und 14. Jahrhunderts auf westliche Einflüsse eingebürgert haben soll. Denn das Ladislaus-Wunder mit der Silberschale entstand bereits am Ende des 12. Jahrhunderts, als man den König auf den Altar Christi hob. Die früheste bekannte Parallele des anderen Ladislaus-Wunders, der Mädchenbefreiung, hingegen wurde von dem Mönch Ekkehart - nach einem noch 210 A Jósa András Múzeum Évkönyve 1997