H. Bathó Edit – Gecse Annabella – Horváth László – Kaposvári Gyöngyi szerk.: Tisicum - A Jász-Nagykun-Szolnok Megyei Múzeumok Évkönyve 16. (2007)

Der Weihnachtsbaum auf der Großen Ungarischen Tiefebene

Leute in Topolya bauten drei-, vierbeinige turmförmige Gestelle aus dünnen Latten. An ihre Seiten schlugen sie kleine Nageln, an die die Ziere gehängt wurden: Äpfel, Nüsse, Johannisbrot, Feigen, Dörrpflaumen, Zuckerl, Leb­kuchen. Je ein Exemplar dieser frühen Weihnachtsbaum­typen wurde im Ethnographischen Museum von Budapest bewahrt. In den Wohnhäusern von Kalocsa erschien der Weih­nachtsbaum schon in den Jahren des Ersten Weltkrieges in bescheidener Form: in einen Porzellankrug wurden Tan­nenbaum- und Wachholderzweige gestellt und mit Kerzen und Weihnachtszuckerln verziert. In Túrkeve (Komitat Jász-Nagykun-Szolnok) wurden vor den 1940er Jahren in vielen Familien gar keine Weih­nachtsbäume gestellt. Bei zahlreichen Wohnhäusern konn­ten nicht Tannen, sondern Lebensbaumzweig, Wachholder oder auch mit Papier gedeckte trockener Zweig als Weih­nachtsbaum gestellt werden, von der finanziellen Lage der Familie abhängend. Damals zählte der Weihnachtsbaum noch nicht zu den organischen Teilen der Feier wie heute, wo einheitlich nur Tannen oder Tannenzweige gestellt werden. In Theißeck (Tiszazug) wurde der Weihnachts­baum mit Lebkuchen, Nüssen, trockenen Gebäckstücken verziert, und zwar in der Nacht wurde das getan. Tannenz­weig oder Zweig anderer Bäume waren dazu auch geeignet, Wachholder oder Pflaumenzweig wurde in den Blumentopf gestellt mit geröstetem Mais, Äpfeln und Nüssen verziert. In Tiszaörs wurde ein dorniger Zweig oder Wachholderzweig vor der Verbreitung des Tannen­weihnachtsbaums an die Zimmerdecke gehängt und verziert. Der Weihnachtsbaum im heutigen Sinne des Wortes fing an, sich ab den 1930er Jahren unter der Intelligenz und den wohlhabenderen Familien in Tiszaörs zu verbreiten. In Mezőkövesd (Komitat Borsod) nahmen die Mütter vor dem Zweiten Weltkrieg kleine Bäumchen vom Markt nach Hause mit. Sie konnten sich Fichten nicht leisten, sie kauften Wachholder, viele von ihnen einfach einen Zweig davon. Sie hängten daran geröstete Maisreihen, vergoldete Nüsse, farbige Papierbänder, manchmal in Papier ver­packte Würfelzucker und banden sie an den Zimmer­balken. In Bodrogköz ersetzten zwischen den zwei Welt­kriegen immer noch in Apfel oder Holunder gesteckte Tannenzweige den stehenden Weihnachtsbaum. Jenseits der Theiß wandelte sich der frühere Brauch der grünen Zweige in den des Weihnachtsbaums um. In den Gemeinden der Umgebung der Pussta Hortobágy war die Weihnachtsbaumstellung schon auch zur Wende der 19. und der 20. Jahrhunderte bekannt. In Hajdúszoboszló und in den Gehöften in der Nähe von Debrecen nahmen einige Landwirte zur Zeit zwischen den zwei Weltkriegen einfache grüne Zweige in die Stube und in den Stall rein. In Balmazújváros begann das alles Ende des 19. Jahr­hunderts, als verbreiteter Brauch wurde die Weihnachts­baumstellung erst in den 1920- und 1930er Jahren bekannt. Anfang des 20. Jahrhunderts hatten nur die Wohlhabenden in Nádudvar (Komitat Hajdú) einen Weihnachtsbaum. Andere nahmen einen Wachholderzweig oder einen ande­ren Ewiggrünzweig ins Haus mit und manchmal verzierten sie ihn. In Hajdúnánás erschien der Weihnachtsbaum um 1900, er wurde aber erst nach dem Ersten Weltkrieg zwei Jahrzehnte später häufiger bekannt. In Nyírség war die Weihnachtsbaumstellung vor dem Ersten Weltkrieg noch nicht in Sitte, in Nyíregyháza musste es aber den Weihnachtsbaum schon an der Wende der 19. und der 20. Jahrhunderte geben, da das Ethnogra­phische Museum von Budapest ein engeiförmiges Zier­stück aus dieser Zeit bewahrt. In Beregdaróc spiegelte auch die Weihnachtsbaumstellung die ethnische-religiöse Verschiedenheit der Bewohner ab. Die Urbewohner des Dorfes, die ungarischen Protestanten hätten — den Erin­nerungen nach — immer Weihnachtsbaum gestellt. Sie hängten daran nicht Kerzen und Zuckerl, sondern Äpfel, gefärbte Nüsse, Lebkuchen in verschiedener Format. Die sich später angesiedelten griechisch-katholischen Ruthe­nen stellten keinen Weihnachtsbaum. Bei ihnen nahm der Hauswirt zur Vigilie des Weihnachtens Stroh ins Haus und bedeckte damit dick den Fußboden. Ein Bund Heu legte er unter den Tisch, daneben stellte er einen Eimer Wasser. Die in den Fabriken produzierten Weihnachtszuckerl waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bei den meisten Familien noch Rarität. Ausgenommen die Stadt Szerencs, wo die Weihnachtszuckerl schon früh erschie­nen, weil die hiesige Schokoladenfabrik ihren Angestell­ten diese sicherte. Der Weihnachtsbaum erschien auch auf der Großen Ungarischen Tiefebene zum ersten Mal in den Kirchen: in Kiskunfélegyháza 1887, in Topolya 1908. 40

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