A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 1985 (Debrecen, 1986)

Irodalomtörténet, művelődéstörténet - Bényei Miklós: Die Bildungsverhältnisse zu Beginn der Reformzeit

Miklós Bényei DIE BILDUNGSVERHÄLTNISSE ZU BEGINN DER REFORMZEIT Der Prozess der Auflösung des Feudalismus und der Herausbildung des Kapitalizmus sowie die sich damit parallel entfaltende und sich später eng verflechtende Nationalbewegung erreichte in Ungarn während der Reformzeit eine zweite, entscheidende Periode. Auch auf dem Gebiet der Bildung traten die bürgerlichen und nationalen Bestrebungen mit ganzer Macht auf. In der vorlie­genden Arbeit wird der Versuch unternommen, einen Abriss davon zu geben, wie sich die Bildungs­verhältnisse in Ungarn Mitte der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts, eben an der Abschnittsgrenze die­ser kulturellen Entwicklung, gestalteten. Widersprüchlich war die Situation der ungarischen Sprache. Mit dem Sieg der Neológén war der Kampf um die Spracherneuerung abgeschlossen; es entstand eine flexible, geschliffene Sprache, die dazu geeignet war eine hohe Bildung zu tragen und auszudrücken. Die Amts- und Unterrichtsspeche war aber immer noch das Latein, und auch in der Literatur und in der Wissenschaft hatte das La­tein noch feste Positionen, ebenso wie das Deutsche. Deshalb begann der Kampf, der ungarischen Sprache ihre kulturellen und politischen Rechte zu erringen. Ein Charakteristikum des Bildungswesens bestand in der feudalistischen Zergliedertheit. Die höchste Regierungsmacht des Königs und noch viel mehr die Führungspraxis übten eine nieder­drückende Auswirkung auf die Entwicklung der allgemeinen Bildung aus. Den jeweiligen Konfessio­nen entsprechend, entwickelte sich die Schulorganisation, und in den öffentlichen Lehrinstituten dominierte ohnehin ein kirchlicher Charakter. Das Schulsystem spiegelte die Ordensgliederung wider. Starke Abweichungen und schwere Mängel gab es in der Elementar- und Volksbildung. Das System der Mittel- und Hochschulen war dagegen gut ausgebaut, organisch und weit­reichend; Inhalt und Methoden der Bildung waren jedoch überholt. Obgleich es auch einige niveau­volle Institute gab, war die Fachausbildung stark zurückgeblieben. Die ungelöste Situation der Pädagogenbildung stellte ein Hemmnis für die Entwicklung des gesamten Schulsystems dar. In der Mädchenerziehung herrschte ein feudalistischer Geist vor. Auch die Kosten für die Allgemeinbildung wurden in herkömmlicher feudaler Weise gedeckt: in erster Linie aus den Einkommen, von Stiftun­gen, Fonds und für diesen Zweck gebundenen Gütern sowie aus privaten Stiftungen; die Elemen­tarschulen wurden dagegen von den Städten, den Dörfern, den Gemeinden und den Grundbesitzern unterhalten. Die Trennung von Bibliotheks- und Museumssammlungen hatte noch kaum eingesetzt. Ein Beispiel hierfür ist auch das Ungarische Nationalmuseum. Die Bibliotheken und Museen organi­sierten sich in den mittleren und oberen Lehranstalten, ausserdem gab es zahlreiche hervorragende Privatsammlungen. Dafür fehlte es völlig an den in bürgerlichem Sinne verstandenen Büchereien und öffentlichen Galerien. Die Grundlagen für die wissenschaftliche Forschung bildeten die Institute der Hochschulbildung und das Natinalmuseum. Die Wissenschaftler lebten verstreut über das ganze Land, und es wirkte keinerlei wissenschaftliche Körperschaft. Die wissenschaftliche Literatur nahm nur bescheidene Masse an und war unausgeglichen. Doch machten sich auch Anzeichen eines Fortschrittes sichtbar: thematische Ausdehnung und Rationalismus gewannen an Raum, es gab Bestrebungen, das Na­tionalbewusstsein und die Selbsterkenntnis zu vertiefen (Philologie, Literaturgeschichte, Statistik usw.) Die künstlerische Entwicklung ging nur stockend voran ; eng war der Kreis der Nachfrage und die gesellschaftliche Basis. Es gab nur wenig bildende Künstler, Kunstgewerbler und Baukünstler, und ihre Lage war ungewiss. Die vorherrschende Stilsrichtung war der Klassizismus, der sich in der Architektur mit spezifisch ungarischen Formen bereicherte. Die ungarische Schauspielkunst lebte zu dieser Zeit im allgemeinen Bewusstsein als ein Mittel zur Vermittlung neuer Bildungs- und Gesellschaftsaussagen, zur Verbreitung und Anwendung der Sprache. Die Erfüllung dieser Funktion wurde jedoch dadurch eingeschränkt, dass das ungarische 456

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